Strandurlaub hinter Plexiglas

Italien berät, wie der Tourismus in der Pandemie wieder anlaufen kann. Vor allem kleinere Betriebe fürchten um ihre Existenz

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Weltweit stagniert die Wirtschaft zu Zeiten der Covid-19-Pandemie. Im mit am meisten betroffenen Italien steht nicht nur die Industrie still. Auch die Tourismusbranche fürchtet eine existenzbedrohende Rezession. Bereits das Osterwochenende brachte Umsatzeinbußen von 50 Millionen Euro mit sich. Dass die Sommersaison starten kann und die Urlauber ihre sonst so beliebten Feriendomizile beziehen können, ist eher unwahrscheinlich, selbst wenn die zuständigen Politiker erklären, man bemühe sich, Lösungen zu finden.

»Mit Blick auf den Tourismus können wir das Jahr 2020 bereits streichen«, meint der Direktor des Hotels Vesuvio, Sergio Maione. »Alle unsere Hoffnungen ruhen auf einem Impfstoff, wenn der nicht kommt, können wir unsere Betriebe geschlossen halten.« Nicht nur das Grand Hotel mit dem wundervollen Blick über die Bucht von Neapel sieht schwierige Zeiten kommen. Für etwa 50 Prozent der Branche, so Maione, könnte die Pandemie in die Insolvenz führen.

Der Tourismus stellt für Italien einen wichtigen Wirtschaftszweig dar. 13 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts werden hier erbracht, etwa 200 Milliarden Euro umgesetzt. 4,2 Millionen Menschen sind in Hotellerie und Gastronomie beschäftigt. Ein Großteil von ihnen erhält derzeit ein Salär aus der »Cassa integrazione«, die normalerweise das Arbeitslosengeld zur Verfügung stellt. Auf Dauer ist dies nicht durchzuhalten, zumal die Hilfe auch Saisonkräften zukommen soll, die normalerweise kein Anrecht auf solche finanziellen Zuwendungen haben. Zwar hat die Regierung Wirtschaftsunterstützungen in Höhe von über 400 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, doch fließen diese Summen vorwiegend in die produzierende Industrie. Auch Kredite sind für den Tourismussektor keine Alternative, denn die Ausfälle in diesem Jahr werden später kaum kompensiert werden können, so dass die Rückzahlung schwierig wird.

Kein Wunder also, dass das Tourismusministerium versucht, Optimismus zu verbreiten. »Wir gehen davon aus, dass mit Beginn der Phase 2 (Lockerung der Kontaktsperren nach dem 4. Mai - Anm. d. Red.) auch die Urlaubsorte wieder besucht werden können«, erklärte die zuständige Staatssekretärin, Lorenza Bonaccorsi, in verschiedenen Interviews. Gesundheitsexperten warnen jedoch vor übermäßigem Optimismus - vor allem beim Urlaub am Strand könne ein näherer Kontakt zu anderen Personen nicht vermieden werden und sich somit die Infektionsgefahr erhöhen. Die Staatssekretärin rät daher, den Urlaub besser zu verteilen. »Lasst uns in die Berge gehen«, so Bonaccorsi. »Ans Meer können wir auch wieder im nächsten Jahr.«

Eine Herausforderung sind vor allem die nötigen Abstandsregeln. Derzeit gehen bei den Behörden die verschiedensten Vorschläge ein: Bereits jetzt sind viele Strände hoteleigen und nur mit beschränkten Besucherzahlen zugängig. Für andere sollen nun Eintrittskarten und größere Abstände zwischen Sonnenschirmen die Besucherdichte verringern.

Zudem soll auch der Strand desinfiziert werden, wie dies technisch funktionieren kann, ist allerdings unklar. Eine Firma aus Modena schlägt vor, Boxen aus Plexiglas zwischen den Schirmen aufzustellen. Auf viereinhalb mal viereinhalb Metern sollen die Boxen je einer Familie einen geschützten Raum bieten, zudem sollen sie mit Desinfektionsspray ausgerüstet werden. Ob diese Idee angesichts von brennender Sonnenhitze tatsächlich etwas taugt, ist ebenso zweifelhaft wie die Idee, desinfizierte Tunnel vom Strand zum Meer zu graben.

Virologen raten jedenfalls von allzu großen Lockerungen im Tourismus ab. Zwar sehen einige eine gewisse Chance, dass sich das Virus bei wärmeren Temperaturen langsamer verbreitet. Aber auch sie betonen, dass eine hohe Infektionsrate weiterhin bestehen bleibe. Andere Virologen haben gleich gar keine Hoffnung, dass das Coronavirus im Sommer verschwindet. Und der italienische Vertreter bei der Weltgesundheitsorganisation sieht bereits für den September eine zweite Virusinfektionswelle anrollen.

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