Brückenbauer
Geschichten vom Krieg
Ab 1949 erschienen in der DDR »Lesebücher für unsere Zeit«. Sie stellten bedeutende Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe, Gotthold Ephraim Lessing, William Shakespeare, Heinrich von Kleist, Friedrich Hebbel und Heinrich Heine vor, dienten der Popularisierung literarischer Schätze. Sie trugen dem Herausgeber, Walter Victor in Weimar, den Ruf eines »Brückenbauers humanistischer Bildung« (Arnold Zweig) ein und sind bei Literaturfreunden bis heute gefragt. Der linke Publizist, Schriftsteller und Editor hatte sich nach der Rückkehr aus dem Exil 1947 für die sowjetische Besatzungszone entschieden. In der DDR förderte er als Vorstandsmitglied des Schriftstellerverbandes junge Autoren. Sein umfangreiches Archiv befindet sich im Literaturarchiv der Berliner Akademie der Künste.
Geboren vor 125 Jahren in Bad Oeynhausen, einem bekannten Kurort, der zum Landkreis von Minden-Lübbecke gehört, trat der jüdische Fabrikantensohn aufgrund seiner Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg 1919 in die SPD ein und beteiligte sich im Jahr darauf auf dem 1. Reichstreffen der Arbeiterjugend an der symbolischen Verbrennung eines Hakenkreuzes vor dem Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar. Victor profilierte sich in der Folge als Mitarbeiter verschiedener linker Zeitungen, darunter die »Weltbühne«, war über fünf Jahre Stadtrat in Zwickau und setzte sich in seinen Veröffentlichungen stets kritisch mit den Nazis auseinander. Sein Freundeskreis reichte von Ernst Toller und Willi Bredel über Carl von Ossietzky bis zu Siegfried Jacobsohn. Einfühlsame Biografien wie »Mathilde«, über die Frau von Heinrich Heine, »Der General und die Frauen«, ein Buch über Friedrich Engels, und »Ein Kranz auf Bebels Grab« verschafften ihm einen großen Bekanntheitsgrad unter Linken. Nach dem Machtantritt der Nazis war er ex᠆trem gefährdet.
Zunächst lebte Victor unter falschen Namen in Berlin und auf der Insel Reichenau und beteiligte sich dort am antifaschistischen Widerstand. 1935 verhaftet und verhört, kam er durch glückliche Umstände wieder frei, emigrierte in die Schweiz und - dort ausgewiesen - über Luxemburg und Frankreich 1940 in die USA, wo er sich als Hausdiener, Packer und Hilfsarbeiter durchschlug, bis er als Verlagsmitarbeiter unterkam und wieder als antifaschistischer Journalist arbeiten konnte. Der linke Exilant schrieb unter anderem für das Nationalkomitee »Freies Deutschland«.
Victor starb 1971 in Bad Berka. Sein letzte Ruhe fand er aber auf dem Ehrengräberfeld in Weimar.
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