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Bei Fieber heißt es: Rückflug
Passend zum Tag der Arbeit kommen rund 150 Spargelstecher aus Rumänien in Berlin an
Der Weg zum Flughafen Schönefeld ist einsam: Wenige Menschen sitzen in der Bahn, niemand steigt in Schönefeld aus. Wozu auch? Die meisten Flüge sind gestrichen. Die Ankunftshalle ist fast verwaist, die Touristeninformation geschlossen, die Rollläden vor den Geschäften sind heruntergelassen. Die Theke eines Cafés ist eingestaubt.
Für 8.50 Uhr ist ein Flug aus Sibiu angekündigt, hier besser bekannt als Hermannstadt. Die Chartermaschine mit Saisonkräften aus Rumänien hat knapp 45 Minuten Verspätung. Bis die Reisenden in den öffentlichen Bereich kommen, dauert es. Zunächst werden sie medizinisch untersucht: einmal Fieber messen; bei wem das Thermometer mehr als 37 Grad anzeigt, muss zurück.
Es sind Frauen und Männer, die dann peu à peu in den Ankunftsbereich tröpfeln, viele alte Menschen sind dabei. Ein polizeiliches Absperrband soll die rund 150 Rumänen in die richtige Richtung lotsen, zu den Bussen, die draußen bereitstehen. Die Busse sollen einige von ihnen nach Kirchdorf bei Hannover bringen. Dort sitzt die Firma Thiermann, einer der größten Spargelbetriebe Deutschlands. Andere Saisonkräfte sollen nach Beelitz fahren.
Am Rand der Absperrung stehen Mitarbeiter des DGB-Büros »Faire Mobilität«, das Arbeitnehmer aus osteuropäischen Ländern berät und unterstützt. Sie halten den Ankommenden ein Plakat entgegen. Ein Übersetzer heißt sie willkommen und erklärt: »Wenn Sie Hilfe brauchen oder Probleme mit dem Arbeitgeber haben, können Sie hier gratis anrufen.« Er zeigt auf mehrere Stapel mit Flyern, die auf einem Stuhl ein paar Meter entfernt liegen. Die meisten greifen zu, setzen dabei ihre schweren Taschen auf dem Boden ab. Nur wenige gehen einfach weiter. Am Ausgang winkt ein Mann und treibt zur Eile an. »Eine ist genug!«, ruft er auf Rumänisch einem Mann zu, der es seinem Vordermann gleich tut und eine Karte mit der Hotline nehmen möchte.
Auch ein Vertreter des Hofes, für den die meisten rumänischen Helfer arbeiten sollen, zeigt sich nicht angetan von der Anwesenheit der Gewerkschaftsvertreter - genauso wenig wie von der Presse. Er möchte weder seinen Namen noch den seines Betriebs nennen. Ein Polizist, der das Auslegen der Flyer zunächst untersagen will, fragt ihn, ob er mit der Aktion einverstanden sei. »Das ist ein freies Land, wenn der Abstand eingehalten wird ...«, entgegnet der Unternehmensvertreter. Auf Nachfrage des »nd« erklärt der Polizist, er habe es für »höflich und nötig« befunden, den Mann nach seiner Meinung zur Aktion zu fragen.
Was die Abstandsvorschriften angeht: Die Busse sind zwar nicht voll besetzt, oftmals sitzen aber zwei Personen nebeneinander. Das sei schon in Ordnung, so der Vertreter des Spargelhofs, die Polizei würde schon eingreifen, wenn die Abstände nicht eingehalten werden. Auch auf dem Hof selbst halte man sich an alle Vorschriften. Ob dem so ist, wird die »Faire Mobilität« danke Hotline sicherlich bald erfahren.
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