Rückgang der Remesas trifft Mittelamerika hart

Auslandsüberweisungen sind ein wichtiger Faktor für die Volkswirtschaften. Im Zuge der Coronakrise bleiben sie zunehmend aus

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die erste Delle bei den Geldüberweisungen aus dem Ausland verzeichneten die Statistiken der »Banco de Guatemala« bereits im März. In dem Monat ging der Devisentransfer aus dem Ausland bereits um 60 Millionen US-Dollar, rund acht Prozent, im Vergleich zum Vormonat zurück. »Im April dürfte der Rückgang noch kräftiger ausgefallen sein, denn die rund 2,5 Millionen Guatemalteken, die in den USA leben, haben kaum noch etwas, um es ihren Familien hier zu überweisen«, erklärt Danilo Rivera. Laut dem Soziologen aus Guatemala-Stadt sind Migranten aus Mittelamerika schließlich die Ersten, die dort entlassen werden. Zudem hätten sie kaum Rücklagen. Das Ausbleiben der Überweisungen werde die Wirtschaft Guatemalas treffen und den Neustart nach der Pandemie noch schwerer machen.

Dieser wird ohnehin auf sich warten lassen, denn mit dem Höhepunkt der Coronakrise in Mittel- und Lateinamerika rechnen die Experten erst Mitte bis Ende Mai. Auf 20 Prozent prognostiziert die Weltbank hingegen schon jetzt den Einbruch bei den Remesas weltweit. Mittelamerika wird davon besonders getroffen. In Guatemala machten sie im vergangenen Jahr 13,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Noch abhängiger sind die Nachbarländer Honduras (20 Prozent) und El Salvador (16 Prozent) von den Überweisungen von Familienangehörigen im Ausland. In Nicaragua sind es 11 Prozent. Das Gros der Gelder kommt in allen diesen Ländern aus den USA.

Das überwiesene Geld spielt in den Ökonomien Mittelamerikas eine wichtige Rolle, denn es wird nicht nur für Alltägliches ausgegeben, sondern auch in den Aufbau von kleinen Geschäften und Dienstleistungsfirmen investiert, die in der Coronakrise vom Lockdown besonders betroffen sind. De facto haben sie einen wichtigen sozialen Absicherungseffekt, meint Roy Germano von der New York University. Sollte der bröckeln, hätte das nicht nur negative ökonomische Effekte, sondern könnte auch für soziale Unruhen sorgen, warnt der Experte für internationale Beziehungen in einem Artikel in der »New York Times«.

Auch Mexiko ist stark betroffen. Nach Indien und China ist es das Land mit dem höchsten Aufkommen an Geldtransfers von Migranten, die sich 2019 weltweit auf 551 Milliarden US-Dollar beliefen. Rund 38,5 Milliarden wurden nach Mexiko transferiert, und jede fünfte Familie empfängt dort regelmäßig Geld von Angehörigen aus dem Ausland - ebenfalls vor allem aus den USA. Auch hier weisen die Dollartransfers seit März eine rückläufige Tendenz auf. Diese wird sich in den kommenden Monaten fortsetzen.

Gerade in den vielen Ländern, in denen soziale Abfederungsmaßnahmen der Regierung knapp ausfallen, könnte das Ausbleiben der Remesas gravierende Folgen haben, meint Carlos Monge, Lateinamerika-Koordinator des Natural Resource Governance Institutes in Lima. In Peru, Ecuador oder Kolumbien machten die Geldtransfers zwar nur rund drei Prozent der Wirtschaftsleistung aus, aber auch hier reiße das Ausbleiben ein zusätzliches Loch in die Devisenbestände und treffe besonders verletzliche Bevölkerungsgruppen. »Der Rückgang der Remesas kommt zudem zu einem Zeitpunkt, in dem wichtige Exportprodukte wie Erdöl in Mexiko, Kupfer in Peru oder Kohle in Kolumbien nicht sonderlich gefragt und die Preise in den Keller gegangen sind«, sagt Monge. Das verschärfe die ohnehin schwierige wirtschaftliche Situation dort.

In Mittelamerika sind die Probleme aber noch gravierender und erste Effekte bereits sichtbar. In Guatemala hängen nicht nur in der Hauptstadt aus vielen Fenstern weiße Tücher, berichtet Danilo Rivera. »Damit signalisieren die Bewohner, dass sie wenig oder nichts zum Essen haben.« Die Regierung hat ein Hilfsprogramm gestartet, das Anfang Mai mit der Auszahlung von 1000 Quetzales (116 Euro) für bedürftige Familien begonnen hat. Den Wegfall der Remesas kann dies bei Weitem nicht ausgleichen.

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