Politik entscheidet pro Profifußball

In den Bundesligen darf wieder gespielt werden - weil die Deutsche Fußball Liga es sich leisten kann

In leuchtendem Rot erschien Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch zur Pressekonferenz. Für den Profifußball bedeutete die Signalfarbe Positives: Nach der Videokonferenz mit den Ministerpräsidenten gab die CDU-Politikerin der Bundesliga für den »Neustart des Spielbetriebes ab der zweiten Maihälfte« grünes Licht. Zuvor sprach die Kanzlerin von dem »weiterhin geltenden Mindestabstand« und verlängerten »Kontaktbeschränkungen bis zum 5. Juni«. Das passt natürlich nicht zu Bildern von Zweikämpfen beim Mannschaftstraining und in Fußballspielen.

Die vieldiskutierte Sonderrolle des Profifußballs versuchte Merkel zu umschiffen, in dem sie erst am Ende ihres Statements, noch nach der Erwähnung des »Breiten- und Freizeitsports« und nahezu nebenbei die Neuigkeit erwähnte. Wie auch immer: Nun kann die Deutsche Fußball Liga (DFL) an diesem Donnerstag auf der nächsten virtuellen Mitgliederversammlung ihrer 36 Klubs ganz konkrete Schritte beschließen und verkünden.

Eine Einigung wurde schon vorher erzielt. Die Beschlussvorlage für die Genehmigung zum Spielbeginn hatten Vertreter von Bund und Ländern am Montag erarbeitet - mit der Argumentation, den »entstehenden wirtschaftlichen Schaden in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga« zu begrenzen. Auf Anpfiff standen die Zeichen für den Profifußball aber schon seit zwei Wochen, als die DFL ihr Hygienekonzept vorgestellt hatte. Dies war die Grundvoraussetzung. Aber: Dass sich Kritiker aus allen relevanten Bereichen weiterhin nicht nur daran stoßen, zeigt, wie umstritten die politische Entscheidung ist.

Mächtiger sind aber die Fürsprecher des Profifußballs. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn findet das Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga »klug«. Der CDU-Politiker sieht es sogar beispielgebend »für andere Bereiche des Profisports«. Spahn hatte bei diesen Worten die strukturellen Bedingungen im gesamten Sport wohl nicht im Blick. Denn der Profifußball muss die aufwändigen Maßnahmen selbst bezahlen. Gesundheit kostet eben. Das können sich nicht mal die Drittligisten leisten - obwohl deren Umsatz pro Saison noch immer höher ist, als in der Deutschen Eishockey Liga sowie den Bundesligen im Basketball und Handball. Zumal das hochgelobte Konzept der DFL schnell korrigiert werden musste: Statt 20 000 Coronatest könnten es bis zu 35 000 werden.

Kritisch sehen das Spitzenathleten aus anderen Sportarten. »Fußball ist nicht der Nabel der Welt. Aber er scheint in Deutschland eine andere Priorität zu haben als Schulen und Kitas, wie ich als Familienvater gerade erfahre«, sagte Kanu-Olympiasieger Ronald Rauhe am Mittwoch. Ruder-Olympiasieger Karl Schulze forderte eine andere politische Entscheidung: »Entweder alle treiben wieder Sport oder gar keiner.« Fassungslos war Johannes Vetter: Der Staat verkaufe die Gesundheit des Volkes und der leidenden Menschen an den Fußball. »Das ist pervers«, befand der Speerwurf-Weltmeister.

Ein Befürworter des Wiederbeginns der Bundesliga ist Bundesinnenminister Horst Seehofer. Der CSU-Politiker forderte jedoch eine Verbesserung des Hygienekonzepts, als er darauf hinwies, dass nach einem positiven Coronatest die ganze Mannschaft in eine zweiwöchige Quarantäne müsse. Nach einem Spiel müssten es sogar beide Mannschaften sein. Weil das aber die Pläne der DFL komplett zerstören würde, machen es die Erst- und Zweitligisten eben nicht. Stattdessen wird in großem Umfang getestet. Gefährdet werden nicht nur Spieler, Trainer und Betreuer, sondern auch die Familien all derer. »Gehe ich also das Risiko auf eine schwerwiegende Infektion mit Lungenbeteiligung und möglicherweise dem Karriereende ein?«, fragt Wilhelm Bloch. »Das ist zumindest nicht auszuschließen«, meint der Sportmediziner von der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Peter Dabrock findet das Vorgehen der Deutschen Fußball Liga verantwortungslos. Der Theologie-Professor der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hält das DFL-Hygeniekonzept »im besten Sinne für naiv, im schlimmsten Fall für eine bewusste Täuschung«. Der 56-Jährige war bis Ende April acht Jahre lang Mitglied im Deutschen Ethikrat, die letzten vier davon als Vorsitzender. Und so verweist er noch auf einen anderen Aspekt: »Die Bereitschaft, Einschränkungen zu akzeptieren und solidarisch zu sein, könnte durch die Bundesliga-Eröffnung einen schweren Schaden nehmen. In der Erstphase ging es darum, den Kopf über Wasser zu halten, jetzt kommt die kritischere, die gesellschaftlich noch herausforderndere Phase, jetzt gilt es, noch viel, viel sorgfältiger zu sein, weil es den langen Atem braucht.« Vom Ende der »allerersten Phase der Pandemie« sprach am Mittwoch auch Angela Merkel.

Die von der Bundeskanzlerin verkündete politische Entscheidung pro Profifußball hatte Jens Spahn zuvor dringlichst empfohlen. Dem Gesundheitsminister ging es dabei aber nicht um die Gesundheit. Sondern: »Genauso wie die Lufthansa oder unsere Automobilkonzerne Weltmarktführer sind und es wichtig ist, dass wir unsere Position als Weltmarktführer auch nach der Coronakrise behaupten, gilt das für die Bundesliga auch.«

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