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Selbstinszenierung mit Millionenbudget
Mit der Webserie »Einsatz gegen Corona« will die Bundeswehr erneut ein junges Publikum erreichen. Die Kosten dafür sind immens
Kein Einsatz ohne Webserie – die Bundeswehr ist seit dem 9. April mit der Youtube-Serie »Einsatz gegen Corona« wieder an der Werbefront aktiv. Schwere Geschütze werden aufgefahren und es geht martialisch zu – zumindest wenn im Interview die Bezeichnung »Nationaler Territorialer Befehlshaber« eingeblendet wird. Der hager wirkende Dreisternegeneral Martin Schelleis wird in seinem Büro gezeigt, das wie eine durchschnittliche Amtsstube wirkt. Seine Hauptnachricht: Man steht bereit für katastrophische Zustände, die bisher aber noch nicht eingetreten sind.
Beim Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin spricht Generalmajor Breuer in die Kamera.:»Wir haben 15 000 Mann, … 15.000 Mann stehen bereit … 15.000 Mann werden geführt von den vier Regionalkommandos …«. Sollte das Publikum diese Information noch nicht der kurz zuvor eingeblendeten Infotafel entnommen haben, ist spätestens jetzt klar: Es stehen 15.000 Mann bereit. In den Interviewsequenzen kommen auffällig viele Generäle und andere hochrangige Soldaten zu Wort, die ihre Arbeit in der Krise darstellen. Im fast zehnminütigen Video zur Lieferfahrt eines Lastwagenconvois mit dem Titel »Schutzmasken für Deutschland« tritt dann auch der ranghöchste Soldat und Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn auf.
Doch die Gigantomanie bröckelt, schaut man auf die reale Zahl der bisher eingesetzten Soldat*innen, die ein Bundeswehrsprecher am vergangenen Sonntag noch mit »einer mittleren bis hohen dreistelligen Zahl« gegenüber dem »nd« angab. Insgesamt gingen 500 Anfragen im Bereich der Amtshilfe ein und 230 wurden bis zum Wochenende dann auch erfüllt. Dazu zählen bisher Unterstützungsleistungen, die vom Einkauf im Supermarkt in Wilhelmshaven bis zur Abfertigung eines Frachtflugzeuges mit gelieferten Schutzmasken reichen. Streng genommen also Lieferdienstleistungen, wie sie sonst von DHL, Lieferando oder den freundlichen Nachbarn von nebenan geleistet werden, sieht man von Spezialfähigkeiten, wie der Programmierung und Bereitstellung von digitalen Funkgeräten ab. 16 Anfragen, die Polizeiaufgaben betreffen, wurden bisher ausnahmslos abgelehnt oder von den Bundesländern wieder zurückgezogen. Gigantisch wird es dann aber wieder bei den Kosten.
Die Webserie, die mittlerweile 17 Folgen umfasst und nach Angaben des Verteidigungsministeriums bis zum 22. April »mehr als drei Millionen werbliche und organische Views« zu verzeichnen hatte, wird für das Jahr 2020 mit rund 1,2 Millionen Euro angegeben. »Das ist eine grotesk hohe Summe«, kritisiert Christine Buchholz, Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Es handelt sich bei der Serie laut Regierung um eine »Kommunikationsmaßnahme«, also Werbung. Es gehe darum, Berufsbilder zu vermitteln und »der jungen Zielgruppe die Menschen hinter den Berufen vorzustellen«.
Schaut man auf die Einzelkosten, dann entfallen 338.000 Euro auf die Produktion der fünf bis siebenminütigen Clips. Die restlichen 835.000 Euro sind für die Bewerbung der Serie vorgesehen. »Werbung für Werbung für die Bundeswehr«, sagt Christine Buchholz. »Was nach außen hin als selbstlose Amtshilfe in der Corona-Krise verkauft wird, entpuppt sich als fragwürdige und teure PR-Masche.« Im Umfeld der Bundeswehrserie ist erneut die Agentur Castenow zu finden, die bereits mehrere Flecktarn-Webserien realisiert haben. Castenow entwickelte eine Snapchat-Linse, die das Social-Distancing unterstützen soll. Nutzer des Snapchat-Dienstes kommunizieren über Kurzvideos, die sie optisch durch Filter gestalten könnten. Die Snapchat-Linse färbt den Bildschirm des Handys ein, sobald Nutzer*innen bei der Erstellung von Selfievideos ein anderer Mensch ins Bild rennt. Zusätzlich ertönt ein elektrisches Britzeln. Die Funktion kostet inklusive der Werbung für das Produkt 70.000 Euro. Die Bundeswehr räumt ein, die genauen Kosten der Kommunikationsmaßnahme könne man aber erst im Nachhinein genau beziffern.
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