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  • Mietendeckel in Berlin vor Gericht

Mission Mietendeckel

Renommierte Rechtsanwälte verteidigen das Land Berlin im Verfahren zum Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat die Prozessbevollmächtigten für die zwei derzeit anhängigen Verfahren zum Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe benannt. Wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf nd-Anfrage mitteilte, wurde die Anwaltskanzlei der Verwaltungsrechtler Reiner Geulen und Remo Klinger beauftragt. Der 77-jährige Geulen begann seine Karriere in der Kanzlei von Otto Schily, mit dem er einst die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin verteidigte. Später machte er sich als »Verwaltungsschreck« einen Namen, unter anderem verhinderte er die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich. 2017 legte er für den Senat in Folge des von der FDP losgetretenen Volksbegehrens zur Offenhaltung des Flughafens Tegel die Aussichtslosigkeit dieses Vorhabens in einem Gutachten dar.

Remo Klinger, 50 Jahre, erstritt unter anderem das Verbandsklagerecht für die Deutsche Umwelthilfe, womit er dann schließlich Dieselfahrverbote in zahlreichen deutschen Städten vor Gericht durchsetzte. Dritter und jüngster im Bunde ist der 1972 geborene Florian Rödl, Professor an der Freien Universität Berlin. In einem Beitrag auf der Website Verfassungsblog legte er gemeinsam mit zwei weiteren Autorinnen die Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels dar.

Eine Linie, die offenbar auch im Amtsgericht Mitte geteilt wird. In inzwischen drei »nd« bekannten Verfahren sind drei verschiedene Richterinnen und Richter zu diesem Schluss gekommen. Alle drei haben Zustimmungsklagen zu bereits vor Inkrafttreten des Mietendeckels am 23. Februar ausgesprochenen Mieterhöhungsverlangen zurückgewiesen. Angesichts des geltenden »Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin«, so der offizielle Titel, wäre ein Urteil zugunsten der Vermieter eine »unzulässige Gesetzesausübung«. Sie beziehen sich dabei ironischerweise auf das Urteil vom Landgericht Berlin vom 12. März (67 S 274/19), in dem das Landgericht dem Mietendeckel Verfassungswidrigkeit attestiert und dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorgelegt hatte.

An diesem Punkt sind die Richterinnen und Richter allerdings anderer Meinung. »Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass das Gesetz formell verfassungswidrig ist. Insbesondere ist das Land Berlin gesetzgebungsbefugt«, heißt es beispielsweise in einem Urteil vom 6. Mai (123 C 5146/19). Auf jeweils rund einem Dutzend Seiten wurde in diesem und auch den beiden weiteren Verfahren (25 C 5054/19 und 124 C 5049/19) dargelegt, warum die Kammern zu diesem Schluss gekommen sind. Für eine gewisse Verwunderung unter Beobachtern sorgte im jüngsten Verfahren in Mitte der Umstand, dass die entsprechende Vermieterseite zur Stützung ihres Anliegens ein von der Senatsverwaltung vergangenes Jahr in Auftrag gegebenes Gutachten vorgelegt hatte, das bisher noch nie veröffentlicht worden ist und bisher nur intern kursierte.

Mit diesem Ende Februar 2019 vorgelegten Papier wollte die Verwaltung das Projekt in der Frühzeit der politischen Befassung mit dem Mietendeckel abwürgen. Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Teilnehmer von Gesprächsrunden äußerte sich der zuständige Fachbereichsleiter mehrfach äußerst negativ zu dem Vorhaben. Es überrascht nicht, dass in dem anonymen Papier, das wohl von SPD-Kreisen im August 2019 gestreut wurde und das Zweifel am Mietendeckel säte, auf dieses sogenannte Becker-Gutachten Bezug genommen wurde. Aufschlussreich ist jedenfalls, dass dieses nun in die Hände eines privaten Vermieters gekommen ist.

Michael Plettner, Vorstand der Deutsche Grundstücksauktionen AG, berichtet unterdessen in einem aktuellen Interview mit dem Börsen Radio Network über deutliche Auswirkungen des Mietendeckels auf sein Berliner Geschäft. Im ersten Halbjahr 2019 sei es noch gut gelaufen, das zweite Halbjahr jedoch »im Bereich wohnwirtschaftlicher Renditeobjekte extrem schwierig« gewesen. »Es gibt einige größere, immobilienvermittelnde Unternehmen in Berlin, die im letzten Quartal praktisch kein Miethaus mehr verkauft haben«, sagt Plettner über die Situation Anfang 2020. »Man wollte den Markt trockenlegen. Man wollte, dass die Dynamik aus dem Berliner Investmentmarkt rausgeht, weil natürlich jeder wegen des geringen Mietniveaus, was wir hier haben, mit Mieterhöhungen gespielt hat. Das hat der Senat durch diese, wenn auch sehr fragwürdige Gesetzgebung, geschafft«, attestiert der Vorstand.

Linke-Chef Bernd Riexinger prangert hingegen die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP für die vergangene Woche beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereichte Normenkontrollklage an – das bisher zweite Verfahren, bei dem Berlin den Mietendeckel verteidigen muss. »Wohnen ist ein Grundrecht, das hier offensichtlich von CDU- und FDP-Abgeordneten mit Füßen getreten wird«, erklärt Riexinger und kündigt Proteste der Linke vor der CDU-Bundeszentrale für den kommenden Freitag an.

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