Werbung

»Spaziergänger« mit Rechtsdrift

Von vereinnahmten Bürgerlichen bis zu rechtsextremen Verfassungsfeinden: Politiker*innen in Sachsen diskutieren, wie man die Corona-Gegner einordnen sollte.

  • Mascha Malburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Vergangenes Wochenende in Sachsen: Entlang der Bundestraße 96 wehen Reichsflaggen, in Schwarzenberg schallen rechte Parolen durch die Straßen. Währenddessen singen auf dem Bautzener Kornmarkt 200 Menschen »Die Gedanken sind frei«, dazwischen baut die AfD ihren Infostand auf. Vor der Nikolaikirche in Leipzig munkeln Redner von Finanzeliten und Bill Gates als Strippenzieher des Virus, während Teilnehmer Kopien des Grundgesetzes verteilen.

Auf den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen versammelt sich »eine gefährliche Mischung, ähnlich wie bei den Anfängen der Pegida Proteste von 2015«, berichtet nd-Reporter Hendrik Lasch aus Sachsen: »Da sind diejenigen, die sich aufgrund biografischer Erfahrungen ehrlich um ihre Grundrechte sorgen, aber auch die Nazis, die schon ihre Chance auf den Systemsturz wittern.« Das Problem: Sie laufen Seite an Seite, auf vielen Demos ist unklar, wer hier zu wem gehört.

Auch sächsische Politiker sind sich uneins, wie man die Demonstrierenden einordnen sollte: So kritisierte die Linken-Politikerin Kerstin Köditz am Dienstag die Aussagen des Innenministers Roland Wöller (CDU): Der Warnung Wöllers vor der Vereinnahmung der Proteste durch verfassungsfeindliche Gruppen entgegnete Köditz, die extreme Rechte habe »diesen Protest überhaupt erst losgetreten«. Anders als der Innenminister behauptete, seien die Beteiligten der aktuellen Protestserie nie in Bürgerliche und Extremisten getrennt gewesen, sagte Köditz. Vieles erinnere sie an die Frühphase der rassistischen Anti-Asyl-Proteste, Schauplätze und beteiligte Kreise seien teils die gleichen.

Auch die Behauptung Wöllers gegenüber dem »MDR Sachsen«, die Proteste seien bislang friedlich verlaufen, ließ Köditz nicht stehen: Sie erinnerte an offene Beleidigungen, wiederholte Übergriffe auf Polizeikräfte und Anfeindungen gegen die Medien auf den Demonstrationen. Auch Menschen, die antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten, seien an einem friedlichen Zusammenleben nicht interessiert, stellte die Linken-Politikerin klar.

Ein Blick auf die Proteste der vergangenen Tage bestätigen Köditz Aussagen zum Teil: Demonstrationen in Zittau, Aue, Pirna und Crimmitschau wurden direkt von Pegida-, AfD- oder NPD-Mitgliedern initiiert. In Pirna waren am vergangenen Sonntag Polizeibeamte von Teilnehmern beleidigt, geschubst und leicht verletzt worden. Gleichzeitig wehrten sich Initiatoren wie der Zittauer Filmemacher Steffen Golembiewski gegen die Vorwürfe: Es sei unfair, dass gegen die Demonstrierenden immer gleich »die Nazi-Keule« in Stellung gebracht werde, beklagte er gegenüber der Presse. Mit der Gruppe »engagierter Bürger« hatte er mehrere Protestschreiben zur Corona Pandemie veröffentlicht.

Die Grünen-Abgeordnete Franziska Schubert versucht unterdessen zu differenzieren: Sie könne die Kritik mancher Demonstranten nachvollziehen, sagte die Politikerin dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland«, nachdem sie am Samstag mit ihrem Schild »gesprächsbereit« an einer Demo in Zittau teilnahm. Viele Demonstranten seien aber eindeutig der rechten Szene zuzuordnen gewesen, ergänzte Schubert. Auch sie bemerke Parallelen zu den Protesten 2015: »Das ist dieselbe Energie, die Pegida befeuert hat«, sagte die Abgeordnete und warnte: »Die Proteste werden sich ein Stück weit verstetigen, mit denen werden wir noch zu tun haben, wenn Corona nicht mehr so eine große Rolle spielt.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.