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Notstand statt Neustart für Spaniens Fremdenverkehr
Tiefer Schock für Tourismusindustrie: Aus dem Ausland in das Ferienland Einreisende erwartet eine zweiwöchige Zwangsquarantäne
Die spanische Regierung hat es einmal mehr geschafft, Freund und Feind vor den Kopf zu stoßen. Vor allem in den Urlaubsgebieten und auf den balearischen Ferieninseln sorgen am Freitag in Kraft tretende verschärfte Einreisebedingungen für Entsetzen. Die Präsidentin der Balearenregierung, Francina Armengol, eine Parteifreundin des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, äußert offen ihren Ärger darüber, dass der Veröffentlichung der Anordnung im offiziellen Bulletin des Gesundheitsministeriums keine Debatte vorausging.
Nachdem seit Montag in Teilen des Landes weniger strenge Beschränkungen wegen der Coronavirus-Epidemie gelten, hofften die Urlaubsregionen auf Schritte zu einer Reaktivierung des Fremdenverkehrs. Die Branche ist ein zentraler Pfeiler der Ökonomie Spaniens. Doch nun sollen alle aus dem Ausland kommenden Passagiere nach ihrer Ankunft für 14 Tage unter Quarantäne gestellt werden. Ausgenommen von dieser Regel sind Grenzgänger, diplomatisches Personal, Fernfahrer, Flugzeugcrews und Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die keinen Kontakt zu Infizierten hatten. Touristen unter Quarantäne dürfen Hotel oder Ferienwohnung nur mit Masken und nur zum Einkauf von Lebensmitteln, Medikamenten oder für Arztbesuche verlassen. Auf die spanischen Inseln dürfen Ausländer derzeit ohnehin nicht.
In einer Videoschalte warfen Balearen-Präsidentin Armengol und ihr Tourismusminister Iago Negueruela der spanischen Ministerin für Tourismus und Industrie, Reyes Maroto, vor, die Inseln zu bevormunden. Die Balearen fordern eine schnelle Aufhebung der Maßnahme, damit die Pläne für den Sommer nicht konterkariert werden, internationale Touristen wieder einreisen zu lassen. Doch die Region ist an den vergangene Woche bis zum 24. Mai verlängerten Notstand gebunden. Und Vize-Ministerpräsidentin Carmen Calvo führt bereits mit mehreren Parteien Gespräche über eine Verlängerung bis Ende Juni.
Mehrere Regionalpräsidenten sind sauer auf Madrid. Premier Sánchez hatte auf massive Kritik an seiner »zentralen Führung« hin unlängst versprochen, Maßnahmen künftig »möglichst einvernehmlich« unter Einbeziehung der Regionen zu treffen.
Vertreter der Tourismusindustrie reagieren entsetzt. »Kein Tourist fährt in ein Land, in dem er 14 Tage eingesperrt wird«, erklärte der Vertreter spanischer Reiseveranstalter Martí Serrate. Der Vizepräsident des Branchenverbands Exeltour José Luis Zoreda sieht »die Tür für jeden Touristen zugestoßen«. Madrid habe einer Regelung auf EU-Ebene vorgegriffen.
Aus Spanien nach Deutschland Einreisende müssen bisher zwei Wochen in Quarantäne. Dass Einreisende nicht pauschal als potenzielle Krankheitsüberträger behandelt werden dürfen, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht verfügt. Das dürfte Schule machen.
Spaniens Behörden begründen die Quarantänepflicht mit der »günstigen Entwicklung der epidemiologischen Situation«. Angesichts der Lockerungen sei es notwendig, »die Kontrollmaßnahmen zu verstärken«. Das Land wurde von der Epidemie hart getroffen. Nach offiziellen Angaben forderte diese in Spanien bisher mehr als 27 100 Tote. Da die Statistik nur die in Krankenhäusern Verstorbenen ausweist, gehen einige Experten real von etwa 40 000 Toten aus.
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