Rechte Zwickmühle

AfD-Bundesvorstand entscheidet in der Causa Kalbitz

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Formal geht es nur um die Mitgliedschaft eines Einzelnen, doch die Entscheidung wird in jedem Fall massive Auswirkungen auf die gesamte AfD haben. Wenn sich am Freitag der Bundesvorstand das erste Mal seit vielen Wochen wieder zu einer Präsenzsitzung trifft, steht ein Mitglied des Gremiums im Zentrum der Aufmerksamkeit: Andreas Kalbitz, AfD-Mitgliedsnummer 567, seit 2017 Beisitzer im Vorstand, einer der führenden Köpfe des formal Ende April aufgelösten völkischen »Flügels«.

Die Parteiführung muss darüber entscheiden, ob Kalbitz durch mögliche Mitgliedschaften in verschiedenen rechtsextremen Organisationen gegen die Satzung verstoßen hat. Die Angelegenheit ist kompliziert, weil es auf Details ankommt. Ist eine Mitgliedschaft eindeutig nachweisbar, kann der Vorstand Kalbitz mit einfacher Mehrheit aus der Partei werfen. Ist die Sachlage uneindeutig, bliebe noch die Möglichkeit eines deutlich aufwendigeren Parteiausschlussverfahrens mit ungewissem Ausgang, weshalb diese Option unwahrscheinlich scheint. Kritiker wie Unterstützer von Kalbitz im Bundesvorstand werden versuchen, die von dem 47-Jährigen vorgelegte Erklärung je nach Interesse auszulegen.

Dass die Entscheidung knapp ausfallen könnte, bewies die Abstimmung vor vier Wochen. Sieben Mitglieder votierten dafür, dass Kalbitz eine Liste seiner Beziehungen zu rechtsextremistischen Organisationen vorlegen muss, vier stimmten dagegen, zwei enthielten sich.

Die AfD-Führung steckt in einer Zwickmühle: Kommt es zu einem Ausschluss, droht der Gesamtpartei ein Aufstand der Anhänger des aufgelösten »Flügels«. Kalbitz gilt neben Björn Höcke als wichtigster Akteur des völkischen Sammelbeckens. Zwischen den beiden herrscht Aufgabenteilung. Während der Thüringer AfD-Chef nach außen als neurechtes Aushängeschild fungiert, gilt sein Brandenburger Parteifreund als Netzwerker, der sich auf Parteitagen als Mehrheitsbeschaffer auch schon einmal die Füße wund läuft, während sich Höcke im Hintergrund hält.

In den ostdeutschen Landesverbänden geben Unterstützer des aufgelösten »Flügels« den Ton an. Allerdings: Öffentlicher Attacke gegen die Kalbitz-Kritiker vermeiden die Völkischen in der AfD bisher. Stattdessen versucht man es indirekt. Im April wurde eine von Mitgliedern des sächsischen Landesverbandes initiierte »Dresdner Erklärung« veröffentlicht, in der vor einer Spaltung der Partei gewarnt wird.

»Nur durch die Vereinigung aller Kräfte und Strömungen und unter Respektierung regionaler Besonderheiten innerhalb der Partei« sei die AfD in der Lage, zu einer Volkspartei zu werden. Nur wer sich »glaubhaft in Wort und Tat zur Einheit der Partei« bekenne, solle in Zukunft gefördert werden. Interessant ist, wer sich zu der Erklärung bekennt. Neben Bundessprecher Tino Chrupalla sind dies unter anderem der sächsische AfD-Chef Jörg Urban, der Parteivorsitzende in Sachsen-Anhalt, Martin Reichardt und - Andreas Kalbitz. Auch Alexander Gauland, früher Parteichef, heute Ehrenvorsitzender, hielt bisher stets schützend seine Hand über Kalbitz, den er 2017 zu seinem Nachfolger an der Spitze der Brandenburger AfD aufbaute. Als im Juli vergangenen Jahres die Verstrickungen von Kalbitz zur neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend schon mal öffentlich diskutiert wurden, kommentierte Gauland dies mit den Worten: »Ich finde den Bohei, der darum gemacht wird, absolut lächerlich.«

Für einen Ausschluss spricht die drohende Überwachung der gesamten AfD durch die Behörden. Mitte April erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sich dazu in naher Zukunft äußern zu wollen. Auch aus mehreren Landesämtern gibt es Forderungen, die Observation der Partei auszuweiten. Am Donnerstag sagte der Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes, Jörg Müller, im RBB-Inforadio, es sei nicht ausgeschlossen, die gesamte Brandenburger AfD als Verdachtsfall einzustufen. Käme es zu einer Ausweitung der Überwachung, fürchten Teile der AfD-Spitze nicht nur sinkende Umfragewerte, sondern auch vermehrte Parteiaustritte von Mitgliedern, die den großen Einfluss des Ex-»Flügels« kritisch sehen.

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