Werbung

Werbung für Rassismus

Mit einem rassistischen Werbespot löste der Automobilhersteller Volkwagen eine Welle der Empörung aus

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 4 Min.

Triggerwarnung: Dieser Text enthält eine Beschreibung eines rassistischen Videos.

10 Sekunden Rassismus. Anders kann man den kurzen Videoclip nicht beschreiben, der gestern in einer Story über den Instagram-Kanal von Volkswagen lief: Ein Schwarzer Mann im Anzug wird von einem weißen übergroßen Zeigefinger verscheucht, dann von einer übergroßen weißen Hand am Kopf gepackt und wie eine Spielfigur auf einem anderen Punkt der Straße neben einem gelben Auto abgesetzt. Dazu läuft verspielte Flippermusik. Der Mann kommt ins Taumeln – und jetzt passieren viele Dinge gleichzeitig: Die weiße Hand formt sich kurz zu dem rechtsextremen »white power«-Zeichen und schnipst den Mann von der Bildfläche in ein Haus mit der Aufschrift »Petit Colon«. Im Hintergrund ertönt Lachen und für eine Millisekunde erscheinen Buchstaben, die zusammen das N-Wort ergeben; wieder Flippermusik; die Buchstaben formieren sich weiter zu: Der Neue Golf.

Ja, richtig gelesen. Es handelt sich hier nicht um einen furchtbar rassistischen Clip, der von irgendwelchen Nazis ins Netz gestellt wurde. Es handelt sich um einen furchtbar rassistischen Clip, der von dem deutschen Unternehmen Volkswagen ins Netz gestellt wurde.

Auf Instagram und Twitter wurde sofort darauf reagiert: Die Photographin Sophie Seydel und der Historiker und Aktivist Zuher Jazmati haben den Spot auf Instagram geteilt und analysiert: Auf Twitter schreibt Jazmati: »Hey @volkswagen! Kurze Frage: warum macht ihr eine solch rassistische Werbung, in der eine überdimensional große weiße Hand einen nicht-weißen Mann wie ein Spielzeug behandelt und zur Krönung sogar noch in die «Petit Colon» aus dem Bild raus schnipst?«

Aufgrund der vielen empörten Reaktionen in den sozialen Netzwerken löscht Volkswagen den Clip am Dienstagabend, die Twitter Profile des Unternehmens sind plötzlich auf privat gestellt. Wütende Nutzer*innen werden mit einer lauen Stellungnahme abgespeist, in dem sich VW »gegen jede Form von Rassismus« ausspricht. Doch damit ist immerhin vom Tisch, dass das Video auch ein Fake hätte sein können. Auf Nachfragen des »nd« bezeichnet ein Sprecher des Unternehmens das Werbe-Snippet zum neuen Golf 8 als einen »kreativen Umgang mit dem Format Instagram Story«. Man sei überrascht, dass diese derart missverstanden werden könne. Doch wie sollte das Video dann verstanden werden? Darauf will sich das Unternehmen nicht äußern.

Die Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo schreibt auf Twitter: »Es geht um Werbung in einer Zeit wo vieles (wenn nicht alles) auf Social Media geteilt, diskutiert, auseinandergenommen wird. N-Wort einfügen, Shit-Storm lostreten. Works every time. White supremacy symbols dabei? Um so besser!«

Die phrasenhafte Reaktion des Unternehmens scheint dies zu bestätigen. Im Gespräch mit »nd« fallen Wörter wie »nicht so beabsichtigt« und »unglücklich« und es wird darauf verwiesen, dass der Schriftzug über dem Haus »Petit Colon« im Video nicht – wie von manchen übersetzt – »kleiner Siedler« heiße, sondern sich auf Kolumbus beziehe. Für die Kuratorin und Kulturwissenschaftlerin Mahret Kupka macht das symbolisch jedoch keinen Unterschied. »Kolumbus war der Auslöser für die gewaltvolle Kolonisierung Amerikas und ist damit eine hochproblematische Figur. Diese Antwort zeigt nur, wie weit der Unwille reicht, sich mit der europäischen Kolonialgeschichte auseinanderzusetzen«, so Kupka gegenüber »nd«.

Die Leiterin des Zentrum für Integrationsstudien an der TU Dresden, Noa Ha, schreibt auf Twitter: »Absicht oder nicht. Aber der Spot zeigt sehr deutlich, was in der deutschen Sprache mit 'Volk' gemeint ist. Wäre toll, wenn VW sich gerade deswegen mal mehr Gedanken machen würde«

Die Geschichte des Autokonzerns ist eng verknüpft mit dem Nationalsozialismus: So geht der Name auf eine Forderung Adolf Hitlers zurück, der den Bau eines »Volksautos« für die breite Bevölkerung forderte. Dass ein deutscher Konzern, dessen Gründungsgeschichte mit dem völkischen Rassismus des Dritten Reiches verbunden ist, im Jahr 2020 einen derartigen Werbespot laufen lässt, macht auch den Historiker Jürgen Zimmerer fassungslos: »Es zeigt, wie viel Arbeit wir zur Dekolonisierung der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft noch vor uns haben. Während Teile des deutschen Feuilleton am Fall Mbembe die Postcolonial Studies entsorgen, zeigt dieser Fall des größten deutschen Autobauers, dass wir sie nötiger denn je brauchen«, sagt er dem »nd«.

Die ersten Reaktionen des Unternehmens zeigen, dass man dort darauf baut, sich wie in ähnlichen Fällen (H&M, truefruits) aus der Affäre ziehen zu können. Jazmati fordert indessen gegenüber »nd« eine aufrichtige Entschuldigung von VW: »Einen Fehler einzugestehen ist das Mindeste, was man tun kann. Das reicht aber nicht. Es muss eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus innerhalb der eigenen Strukturen geben, eine systemische Aufarbeitung, damit ein rassismuskritischer Umgang gefunden werden kann und sich solche Sachen nicht wiederholen.«

In einem aktualisierten Statement distanziert sich VW von dem Video - es sei »falsch und geschmacklos« - und entschuldigt sich, auch vor dem Hintergrund der eigenen Unternehmensgeschichte: »Wir werden aufklären, wie das passieren konnte – und Konsequenzen daraus ziehen.« Es bleibt zu hoffen, dass diese Aufklärung die geforderte ernsthafte Auseinandersetzung mit strukturellem Rassismus und den kolonialen Kontinuitäten beinhalten wird.

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