Ein Machtkampf mit völlig offenem Ende

Forderungen nach einem Sonderparteitag in der Causa Kalbitz und ein bundesweites Mitgliedertreffen - in der AfD rumort es weiterhin gewaltig

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Das »heute journal« im ZDF, »Maischberger« in der ARD, das Politmagazin »Cicero«, am Wochenende schließlich ein großes Interview in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« (»FAS«): AfD-Parteichef Jörg Meuthen nutzte in den letzten Tagen viele Bühnen, um seine Sicht im Streit um die Annullierung der Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz darzulegen. Seine Botschaft: »Die Brandmauer nach Rechtsaußen muss fest stehen«, so der Co-Vorsitzende gegenüber der »FAS«.

Meuthen sei der neue Antifaschist in der AfD, witzelte bereits die ZDF-Satiresendung »heute show« und fasste damit die Strategie des Co-Chefs treffend zusammen. Dass er die völkischen Nationalisten selbst über Jahre hofierte, dabei auch am jährlichen Kyffhäusertreffen des inzwischen formal aufgelösten »Flügel« teilnahm, das hört Meuthen heute nicht mehr so gerne und erklärt im Gespräch mit der »FAS«, er habe bereits 2018 ein »wirkliches Befremden gespürt«.

Nur noch an der Oberfläche dreht sich die Auseinandersetzung um die Frage, ob Kalbitz' Rauswurf aus der AfD gerechtfertigt gewesen ist. Der 47-Jährige hat angekündigt, sich gegen den Beschluss zu wehren. Parteiintern kann er Beschwerde vor dem Bundesschiedsgericht einlegen, ebenso steht ihm der Klageweg vor einem ordentlichen Gericht offen.

Die Auseinandersetzung ist für die AfD längst zu einer Grundsatzfrage geworden. Dabei wird wenig über politische Inhalte gestritten, als vielmehr um die Frage, wer in der Partei künftig das Sagen hat, wer wichtige Posten besetzt und 2021 Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl wird. Meuthen selbst glaubt eine Mehrheit hinter sich, belastbare Belege dafür sind allerdings rar. Wie gespalten selbst die AfD-Anhänger sind, zeigt eine repräsentative Forsa-Umfrage vom Wochenende. Demnach befürworten 51 Prozent den Kalbitz-Rauswurf, 49 Prozent tun dies nicht. Interessant ist, wie sich die Zustimmung innerhalb der Lager verteilt. Nur zwei Drittel der Befragten, die sich grundsätzlich als Unterstützer Meuthens sehen, begrüßen den Rauswurf, im Lager des völkischen Nationalisten Björn Höcke lehnen 80 Prozent die Entscheidung ab.

Prognosen über den Ausgang dieses Machtkampfes sind aktuell schwer möglich. Alexander Gauland, AfD-Frakionschef im Bundestag und Ehrenvorsitzender der Partei, rechnet damit, dass Kalbitz mit seiner Anfechtung höchstwahrscheinlich Erfolg haben werde. »Wenn Herr Kalbitz nicht Recht bekommen sollte, vor dem Parteigericht oder einem ordentlichen Gericht, dann ist das eben so. Wenn er aber Recht erhält, dann wird es für diejenigen, die das losgetreten haben, schwierig«, so Gauland gegenüber dem »Spiegel«. Die Aussage ist als Drohung gegen Meuthen, aber auch Beatrix von Storch zu verstehen, die neben dem Co-Parteichef momentan die lauteste Stimme aus dem Bundesvorstand ist, die den Kalbitz-Rauswurf rechtfertigt.

So unklar wie der juristische Bestand ist momentan auch die Strategie, mit der die völkischen Nationalisten vorgehen. Teile des ehemaligen »Flügel« fordern einen Sonderparteitag, auf dem sich der Bundesvorstand rechtfertigen und möglicherweise sogar abgewählt werden soll. Neben der AfD-Landtagsfraktion Brandenburg sind ähnliche Stimmen vor allem aus den ostdeutschen Landesverbänden zu hören.

Zwei wichtige Kalbitz-Unterstützer sehen das Unterfangen allerdings kritisch: Neben Gauland wandte sich auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gegen den Vorschlag. »Wir brauchen keinen Sonderparteitag, um festzustellen, dass der bisherige Bundessprecher nicht mehr in der Lage oder Willens ist, die AfD in ihrer Gesamtheit zu vertreten«, erklärte Höcke vergangene Woche via Facebook. Möglicherweise scheut er die hohen Hürden einer versuchten Abwahl. Dem Antrag müssten zwei Drittel der Delegierten zustimmen, was allerdings als unrealistisch gilt. Ohnehin muss die AfD dieses Jahr noch einen regulären Bundesparteitag abhalten. Eine völlig neue Dynamik könnte der Lage das noch ausstehende Ergebnis einer Befragung bringen, die seit Mitte Mai läuft. Aktuell dürfen die mehr als 33 000 AfD-Mitglieder bis 12. Juni darüber abstimmen, ob die Partei in Zukunft auf Bundesebene wieder Mitgliederparteitage abhält, auf denen jeder mitbestimmen darf. Zuletzt hatte es dies vor vier Jahren gegeben.

Spricht sich eine einfache Mehrheit, mindestens aber ein Fünftel aller Parteimitglieder, dafür aus, muss der nächste Bundesparteitag als Mitgliedertreffen abgehalten werden. Angeschoben hatte die Initiative dazu der Bundestagsabgeordnete und bayerische Vizelandeschef Hansjörg Müller, ein Unterstützer des aufgelösten »Flügel«. Gegenüber dem »Spiegel« erklärte Müller am Montag, ein Ziel solch eines Parteitages wäre es, eine »neue AfD-Führung zu wählen, obwohl das ursprünglich nicht geplant war«.

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