Mord an Frauen kein »Versehen«

Frauenorganisationen fordern Femizide nicht als Einzeltaten zu verharmlosen und eine lückenlose Aufklärung im Mord an Besma Akinci

  • Birthe Berghöfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehrere Frauenorganisationen und Verbände, darunter Frauen gegen Gewalt e.V., Frauenhaus-Koordinierung e.V. und Terre des Femmes, fordern in einem Offenen Brief Frauenmorde nicht als Einzelfälle und »Versehen« abzutun. Die Strafverfolgung im Bereich der häuslichen Gewalt müsse verschärft werden, fordern die Organisationen, die für eine sofortige Umsetzung der Istanbul Konvention einsetzen. Dort wurden 2011 verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt ausgearbeitet.

Der Brief richtet sich unter anderem an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Hintergrund der Forderungen ist der Mord an Besma Akinci. Die 27-Jährige wurde am 15. April 2020 von ihrem Ehemann getötet. Dieser erklärte, er habe sie »aus Versehen erschossen«. »Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung als Frauenberatungsstellen wissen wir, dass die Tötung der Ehefrau im eigenen Haushalt mit einer illegal erworbenen Waffe kein Versehen ist«, heißt es von Seiten der Initiator*innen, dem Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. und der Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V.

Der Ehemann Akincis sei stark alkoholisiert gewesen, ein Arzt hatte daher die Haftfähigkeit verneint. Da er zudem keine Vorstrafen habe, wurde der Mann kurz nach der Tat wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die Tat als eine »Tötung aus Versehen« zu behandeln sei untragbar, kritisieren Frauenberatungsstellen unter Berufung auf Ängste vieler Frauen sowie Bekannter des Opfers. Die Befürchtung: Eine solche Verharmlosung könnte für andere Männer Vorbild sein, selbst eine derartige Straftat zu begehen. Betont wird auch, dass einem Mord an einer Frau durch ihren Ehemann oder Partner in der Regel eine lange Geschichte von Gewalt in den Beziehungen vorausgehe.

Darüber würden Polizist*innen in Fortbildungen zu Gewalt in engen sozialen Beziehungen auch aufklären, heißt es in dem Brief. Die Realität in den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sei jedoch eine andere: »Anzeigen werden nicht ernst genommen und nicht verfolgt, Verfahren werden eingestellt, und Partnerschaftsgewalt wird in den meisten Fällen nicht nachgewiesen.«

In Deutschland kommt es jeden Tag zur versuchten Tötung einer Frau durch Männer in ihrem engen sozialen Umfeld – meist den Partner oder Ex-Partner. Jeden zweiten bis dritten Tag sterbe eine Frau durch diese Gewalt, heißt es in dem Brief. Die mehr als 150 Unterzeichner*innen fordern »in expliziter Berücksichtigung der Signalwirkung für alle Frauen und Männer in diesem Land eine lückenlose Aufklärung des Femizides an Besma A.«

Das Kurdische Frauenbüro für Frieden »CENΫ weist in einer Pressemitteilung anlässlich des Offenen Briefes auf die Unterschiede zwischen der Gewalt gegen Frauen und der Gewalt gegen Männer hin. So würden »Frauen aufgrund dessen angegriffen werden, dass sie Frauen, Partnerin oder ehemalige Partnerin sind. Der geschlechtsspezifische Mord an Frauen ist der Femizid und wird derzeit statistisch nicht erfasst«. Weiter wird kritisiert, dass Frauenmorden medial häufig als »Familiendrama« oder »psychologische Aussetzer von Männern« dargestellt würden. Bei den Untersuchungen scheine es manchmal so, als würde schnell eine Entschuldigung gesucht werden, was die Frau vor ihrer Ermordung alles für Fehler begangen haben soll, statt zu untersuchen, dass der Mann selbst ein falsches Verständnis von Partnerschaft hat, so das kurdische Frauenbüro »CENΫ weiter.

Von vielen Frauenorganisationen und Beratungsstellen wird bereits seit langem ein anderer Umgang mit Femiziden und Gewalt gegen Frauen gefordert.

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