Ein weiterer Endloseinsatz steht an

Die Linke-Abgeordnete Christine Buchholz kritisiert, dass die Militärmission den Konflikt in Mali weiter anheizt

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 5 Min.

Wie kam es zum Einsatz in Mali?

Der deutsche Militäreinsatz in Mali läuft seit 2013 in den Missionen MINUSMA und EUTM Mali. Es gab zuvor einen Einsatz der französischen Armee gegen ein paar Hundert Tuareg-Rebellen und Dschihadisten, die Richtung Bamako gezogen sind. Laut Mandat hat MINUSMA die Aufgabe, den Frieden zu sichern. Den gibt es aber nur auf dem Papier. Das Einsatzgebiet wurde inzwischen auf fünf Sahelstaaten ausgedehnt. Beide Einsätze existieren neben dem französischen Kampfeinsatz Opération Barkhane. Wie verlustreich der MINUSMA-Einsatz ist, wird kaum beachtet, vor allem, weil bisher überwiegend Soldaten afrikanischer Nationen wie Tschad oder Guinea starben.

Im Interview

Mali kommt trotz Tausender internationaler Soldaten nicht zur Ruhe. Am Freitag entscheidet der Bundestag, ob die beiden Mandate der Bundeswehr verlängert werden. Daniel Lücking sprach darüber mit der Linkspartei-Abgeordneten Christine Buchholz.

Worum geht es in dem Konflikt?

Seit längerer Zeit gibt es den Konflikt zwischen den Tuareg im Norden und der Zentralregierung in Bamako. Doch nur auf die Aktivitäten bestimmter terroristischer Gruppen zu schauen, verstellt den Blick auf die tiefer liegenden Probleme. Die Region ist durch extreme Armut und besonders im Norden durch Trockenheit geprägt. Gleichzeitig ist Mali reich an Rohstoffen und hat eigentlich großes Potenzial. Aber der Großteil der Bevölkerung profitiert nicht davon. Eine kleine Gruppe arbeitet eng mit den europäischen Eliten zusammen und profitiert wirtschaftlich. Der französische Kolonialismus zementiert ungerechte Lebensverhältnisse bis heute.

Was wird unternommen, um die Sicherheitslage im Land zu verbessern?

Die Bundesregierung scheint auf den Militäreinsatz fokussiert zu sein und entwicklungspolitische Projekte haben keine Priorität. Ich sehe bei den Menschen vor Ort das Potenzial, diese Probleme zu lösen. Das zeigen nicht zuletzt die malischen Gewerkschaften, die gegen Armutslöhne kämpfen, oder die Arbeit von Menschenrechtsgruppen und Umweltinitiativen.

Tür an Tür - die Trennung der französischen Opération Barkhane und EUTM Mali wird immer wieder betont. Die Bundesregierung erachtet dieInformationen rund um den Kampfeinsatz Barkhane nichtals relevant für das Parlament. Anfragen werden ausweichend beantwortet. Vor Ort arbeiteten Soldaten jedoch nicht nur Tür an Tür, sondern helfen auch mal bei Transportflügen aus.
Tür an Tür - die Trennung der französischen Opération Barkhane und EUTM Mali wird immer wieder betont. Die Bundesregierung erachtet dieInformationen rund um den Kampfeinsatz Barkhane nichtals relevant für das Parlament. Anfragen werden ausweichend beantwortet. Vor Ort arbeiteten Soldaten jedoch nicht nur Tür an Tür, sondern helfen auch mal bei Transportflügen aus.

Welche geopolitischen und geostrategischen Interessen gibt es in der Region?

Für Frankreich geht es wohl um die Uranvorkommen im benachbarten Niger. Das Interesse an Rohstoffen scheint auch bei anderen Staaten Teil der Motivation zu sein. Ein zweites Interesse ist die Stabilität der Region. Da spielt die Flüchtlingsthematik auch eine Rolle. Für die Bundesregierung geht es aber hauptsächlich darum, die Bundeswehr dauerhaft in einem großen und bedeutenden Auslandseinsatz zu halten, um militärisch »glaubwürdig« zu sein.

Wie beurteilen sie die Zielsetzung der Bundesregierung?

Die vorgeblichen Ziele der Bundesregierung, also Sicherung des Friedens und der Stabilität in Mali, wurden bisher nicht umgesetzt. Gemessen daran ist sie geradezu gescheitert. Die Konfliktzonen im Land haben sich bis ins Zentrum von Mali ausgeweitet. Die malische Armee ist in ethnische Konflikte verstrickt, bei denen Zivilisten ermordet wurden. Im Kern ging es um Weide und Ackerland. Diese Konflikte nehmen zu. Es ist irritierend, wenn nun Vertreter von CDU und SPD im Verteidigungsausschuss darüber sinnieren, in Mali deutsche Kampfdrohnen einzusetzen. Der Mali-Einsatz hat eine Eigendynamik, so dass die Bundeswehr das Einsatzgebiet ausweitet oder die Art des Einsatzes »robuster« macht, indem sie dichter ans Kampfgeschehen heranrückt oder das Kontingent technisch aufrüstet. Dieser Kurs wurde schon im letzten Weißbuch von 2016 angedeutet. »Unsere Interessen haben keine unverrückbare Grenze, weder geografisch noch qualitativ«, sagte Ursula von der Leyen damals. Es geht auch um deutsche Wirtschaftsinteressen. Nicht direkt, aber durch die Profilierung als Bündnispartner anderer EU-Staaten. Es wird militärisch mitgemischt. Das erhöht das politische Gewicht in der internationalen Gemeinschaft.

Mali erinnert in der Entwicklung zunehmend an Afghanistan …

Das ist eine sehr unbeliebte Feststellung! In einer der letzten Sitzungen des Verteidigungsausschusses meinte CDU-Staatssekretär Peter Tauber, der einzige Aspekt, in dem der Afghanistan-Einsatz zum Vergleich herangezogen werden könne, sei, dass Mali eben auch ein langfristiger Einsatz wird. Für mich macht das klar, die Bundesregierung hat erneut keinerlei Ausstiegsperspektive. Momentan stehen alle Zeichen auf Eskalation. Nach dem Friedensabkommen von Algier 2015 hat sich die Zahl an Widerstandsgruppen vervielfacht.

Wie steht es um die Fortschritte, die die Bundesregierung sieht?

Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit, mit Projekten in der Landwirtschaft oder bei der Bewässerung gilt als Erfolg. Bei Reisen nach Mali komme ich mit Militärs und Politikern in Kontakt, die davon sehr angetan sind. Sie profitieren davon. Treffe ich mich aber mit malischen Linken außerhalb des offiziellen Rahmens, werden ganz andere Probleme geschildert. Es geht dann um die umweltschädlichen Folgen von Bergbauprojekten oder Löhne, von denen Familien nicht leben können. Die Ausbeutung der Menschen ist massiv.

Was fehlt aus ihrer Sicht im aktuellen Lagebericht der Bundesregierung?

Der Bericht enthält zahlreiche Widersprüche und offene Fragen. Eine ehrliche Bilanz, dass das Friedensabkommen nicht zu einer Reduzierung der Konflikte geführt hat, wäre dringend nötig. Die Opération Barkhane ist wie eine Blackbox. Angeblich wisse die Bundesregierung nichts über die Kampfeinsätze, die Toten in der Bevölkerung oder bei den Soldaten. Doch vor zwei Jahren räumte die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen nach Recherchen von Journalisten ein, die Bundeswehr würde Barkhane auf Anforderung des MINUSMA Headquarters im Einsatz unterstützen - und das sei auch durch das Mandat gedeckt.

Ist auch das Kommando Spezialkräfte bei der Opération Barkhane beteiligt?

Dazu wissen wir im Verteidigungsausschuss nichts. Die einzigen Spezialkräfte, von denen wir wissen, sind die Kampfschwimmer der Marine. Sie bilden im Niger aus. Ein Mandat gab es dafür erst nachträglich. Die Bundesregierung schafft Fakten und holt sich hinterher dann die Legitimation des Parlaments. Von einer parlamentarischen Kontrolle kann keine Rede sein.

Welchen Weg sehen Sie für Mali?

Mali braucht gerechte Handelsbeziehungen, eine Unterstützung der Landwirtschaft und eine Lebensgrundlage für die gesamte Bevölkerung. Militärisch heizt man diesen Konflikt nur weiter an. Ein weiterer Endloseinsatz steht an.

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