Vio.Me ist nicht kaputt zu kriegen
Seifenfabrik in Thessaloniki produziert weiter trotz schwerer Bedingungen
Die Solidarität mit der besetzten Seifenfabrik Vio.Me in der nordgriechischen Stadt Thessaloniki ist lebendig wie nie zuvor. Griechenlandweit und international wurde auf die Stromabschaltung Anfang April und die im Raum schwebende Räumungsdrohung mit Spendenkampagnen reagiert.
Ende März hatte die Fabrik für Schlagzeilen gesorgt, als der staatliche Stromversorger DEI mit Unterstützung der griechischen Bereitschaftspolizei den Strom abstellte (»nd« berichtete: »Schmutzige Hände«, 1.4., S. 6; dasND.de/1134980). Und dies inmitten der Coronakrise. Die Behörden hätten ja auch auf die Idee kommen können, dass Seifenfabriken in dieser Zeit systemrelevant seien - doch Fehlanzeige! »Diese Aktion war kein Zufall«, sagte Makis Anagnostou, Vertreter der Betriebsgewerkschaft von Vio.Me, gegenüber dem »nd«. Während der Corona-Verbote versuche der Staat die Situation auszunutzen und neue Tatsachen zu schaffen, mutmaßte er. »Inmitten der Krise finden vermehrt Angriffe auf Arbeiterrechte statt, und diese Intervention im Morgengrauen erinnert an Aktionen aus Zeiten der Militärdiktatur.«
Vio.Me (Viomichaniki Metalleftiki) wurde 1982 als eine von drei Tochterfirmen der Filkeram AG gegründet, die der Familie Filippou gehört. Als diese im Mai 2011 Konkurs anmeldete, besetzten die 30 verbliebenen Vio.Me-Arbeiter*innen ihre Fabrik und stellten seit 2013 die Produktion auf ökologische Reinigungsmittel um. Ohne Chef, ohne ein festes Anstellungsverhältnis und ohne Hierarchien. Das selbstorganisierte Team will mit dieser demonstrativen Weiterführung ein Zeichen setzen: gegen den Kapitalismus und gegen Abhängigkeitsverhältnisse. Alle Mitarbeiter*innen profitieren zu gleichen Teilen vom Gewinn, anfallende Tätigkeiten werden nach dem Rotationsprinzip getauscht. Vio.Me wurde inmitten der griechischen Staatsverschuldungskrise zum Symbol der Selbstorganisierung. Die Handseife wird auch im nd-Onlineshop angeboten.
2016 folgte die offizielle Anerkennung als Sozialkooperative. Sogar Syriza-Chef und Ex-Premierminister Alexis Tsipras hatte im Wahlkampf vor seinem Wahlsieg 2015 die Fabrik besucht und ihre Legalisierung versprochen. Mit der Zeit war es still um das Projekt geworden, doch für die Beschäftigten handelt es sich um eine trügerische Ruhe. Im Insolvenzverfahren forciert der Konkursverwalter die Zwangsversteigerung der noch vorhandenen Vermögenswerte von Filkeram.
Gegen die Stromabschaltung und für die Unterstützung von Vio.Me haben sich unterdessen zahlreiche Menschen und Institutionen in Deutschland ausgesprochen, vom kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt Duisburg bis zu linken und linksradikalen Menschen und Organisationen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr die Aufforderung von Roger Waters (Pink Floyd) an den ehemaligen griechischen Finanzminister und »linken Popstar« Yanis Varoufakis, sich für die Wiederherstellung der Stromversorgung einzusetzen. Er sagte zu und hat offensichtlich mit dem Energieministerium gesprochen - ohne Wirkung allerdings.
Aber es gibt auch eine breite Unterstützung für die Spendenkampagnen. Das Griechenland-Solidaritätskomitee Köln hat nach sechs Wochen schon knapp 14 000 Euro gesammelt. Manfred Neugroda vom Griechenland-Solidaritätskomitee Köln äußerte sich gegenüber »nd« hocherfreut: »Danke allen Spender*innen. Vio.Me ist ein Leuchtturmprojekt. Es wird weiter leuchten!«
Die Arbeiter von Vio.Me arbeiten emsig an den eingegangenen Aufträgen, behelfen sich mühsam mit geliehenen Generatoren und haben inzwischen eine Lieferung von 1500 Stück Seife und anderen Reinigungsmitteln nach Moria auf Lesbos versandt. Nachts und an Wochenenden wird die Fabrik geschützt, um Angriffe der Polizei abzuwehren. Verhandlungen mit der Stromgesellschaft DEI blieben bisher ergebnislos.
Auch das antiautoritäre Netzwerk Beyond Europe sammelte mit seiner Kampagne »Fight the dirty conditions« über 13 000 Euro. Die Grundidee der Kampagne bestand darin, Kämpfe solidarisch zu verbinden - im konkreten Fall die Situation der Geflüchteten in Moria auf Lesbos mit der der Vio.Me-Beschäftigten. In einer Erklärung des Netzwerks heißt es: »Unterstützen wir die Arbeiter von Vio.Me, indem wir ihre Produkte kaufen, die direkt nach Moria geschickt werden, um sie den Geflüchteten zur Verfügung zu stellen.« Auf diese Weise können laut Alice Claire, Beyond-Europe-Aktivistin aus Köln, Menschen den Geflüchteten in Moria bei der Corona-Prävention helfen und gleichzeitig die Arbeiterinnen und Arbeiter von Vio.Me dabei unterstützen, »eine autarke Stromversorgung für ihre Fabrik als Grundlage für den Fortbestand ihrer Produktion zu erreichen«.
In Augsburg liefert mittlerweile die Initiative »Die Seiferei« Vio.Me-Produkte und sammelt, wie auch in Rostock die Interventionistische Linke oder in Kiel das Griechenland-Solidaritäts-Komitee, Geld für ein Stromaggregat. All diese Initiativen verbinden sich aktuell unter dem Hashtag Power2VioMe. Mittlerweile ist dank eines Spenders und der Initiative der Soli-Komitees aus Kiel und Köln der erste kleinere Notstromgenerator in Thessaloniki eingetroffen. In Deutschland können weiterhin Produkte von Vio.Me bezogen werden, wie etwa über das Gemein-&-Nützlich-Vertriebskollektiv - eine wichtige Unterstützungsquelle für die kämpferische Fabrikbelegschaft.
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