Wie grün ist Europas neuer Milliardenfonds?
Die Vorschläge der EU-Kommission gehen in die richtige Richtung. Doch es gibt viele offene Fragen.
Seit Beginn der Coronakrise haben die EU-Länder bereits sehr viel Geld mobilisiert, um ihre Volkswirtschaften zu stützen, die Hälfte davon allein entfällt auf Deutschland. Dabei ging es um Soforthilfe, nicht um Klimaschutz. Doch wenn Europa in 30 Jahren klimaneutral sein soll, braucht es auch grüne Investitionen im großen Stil, um den geplanten nachhaltigen Umbau zu beschleunigen. Derzeit liegt der CO2-Ausstoß der EU noch bei gut vier Milliarden Tonnen jährlich. Der Wiederaufbauplan, den die EU-Kommission am Mittwoch vorgestellt hat, soll nun genau dies leisten: den Übergang zur Klimaneutralität unterstützen. 750 Milliarden Euro ist das Paket schwer und soll Wirtschaft und Klima gleichermaßen helfen.
Der Plan zielt vor allem auf vier Bereiche, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht. Erstens: Im Bereich Gebäude will die EU-Kommission eine »massive Renovierungswelle« in Gang setzen. Mindestens doppelt so viele Gebäude wie derzeit sollen energetisch saniert werden. Ein geleakter Entwurf aus der vergangenen Woche, der detailliertere Vorschläge enthält, nannte als Ziel allerdings noch eine Verdreifachung. Vorgesehen sind demnach 91 Milliarden Euro im Jahr für die Förderung von Solardächern, Wärmedämmung und erneuerbaren Heizungssystemen. Auch eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft ist vorgesehen.
Zweitens: Im Bereich Erneuerbare Energien will die EU in den nächsten zwei Jahren 25 Gigawatt Wind- und Solarenergie ausschreiben. Die Europäische Investitionsbank soll weitere Projekte mit zehn Milliarden Euro fördern. Ein Schwerpunkt soll die »Ankurbelung einer sauberen Wasserstoffwirtschaft« sein.
Drittens: Im Bereich Verkehr sollen eine Millionen Ladestationen für Elektrofahrzeuge installiert werden. In dem geleakten Entwurf war noch von zwei Millionen die Rede. Auch 40 bis 60 Milliarden Euro für Null-Emissions-Züge sowie 20 Milliarden für eine Art Kaufprämie für »saubere« Fahrzeuge werden darin genannt.
Viertens: Deutlich aufgestockt wird der Fonds für einen gerechten Übergang, der besonders betroffenen Regionen beim Übergang helfen soll. Das Volumen des »Just Transition Fund« steigt von 7,5 Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro.
Aufgestockt werden sollen auch die Mittel für den Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (um 15 Milliarden), für die Gemeinsame Agrarpolitik (um vier Milliarden) sowie für den Meeres- und Fischereifonds (500 Millionen).
Fachleute sehen in dem Vorschlag der EU-Kommission einen guten ersten Schritt in die richtige Richtung. Allerdings gibt es viele Fragezeichen. Der Plan braucht die Zustimmung der EU-Länder und des Europaparlaments und könnte dabei einiges an Federn lassen. Das am Mittwoch vorgelegte Papier enthält jedenfalls schon Abschwächungen gegenüber dem zuvor geleakten Entwurf und bahnt mit betont allgemeinen Formulierungen bereits Kompromisse an.
Entscheidend wird sein, in welche Projekte genau die Fördermittel fließen. Wird das Geld tatsächlich dem Klima nützen? Um dies sicherzustellen, will die EU die sogenannte Taxonomie anwenden. Damit werden Kriterien für nachhaltige Investitionen festgelegt. Doch auch hier gibt es ein Aber. Die Taxonomie ist zwar bereits beschlossen, jedoch noch nicht implementiert. Genauso im Schwebezustand befindet sich nach wie vor der Green Deal, der durch das neue Paket »verstärkt« werden soll. Er ist bislang nur ein Vorschlag der Kommission und braucht ebenfalls noch das Okay der EU-Länder.
Und: Auch mit dem neuen Wiederaufbauplan wird die EU unterm Strich nicht mehr Geld für Klimaschutz ausgeben als zuvor geplant. Es bleibt bei den bisherigen 25 Prozent des Gesamtbudgets. Ob dies ausreicht, um den »kühnen Schritt nach vorn« zu schaffen, von dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch sagte, steht dahin.
Ökologisch sinnvoll wären indes die neuen Einnahmequellen der EU-Kommission, die von der Leyen vorgeschlagen hat, um das Paket zu finanzieren. Die Ausweitung des Emissionshandel aus den See- und Luftverkehr könnte jährlich zehn Milliarden Euro bringen, eine Grenzsteuer auf CO2-intensive Importwaren fünf bis 14 Milliarden und eine Digitalsteuer bis zu 1,3 Milliarden.
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