20.000 Menschen protestieren in Paris gegen Polizeigewalt

Demonstrationen ausgelöst durch neue medizinische Befunde zum Tod des Schwarzen Adama Traoré 2016 in Gewahrsam

  • Lesedauer: 3 Min.

Paris. Trotz eines Demonstrationsverbots haben in Paris und anderen französischen Städten insgesamt mehr als 20.000 Menschen gegen Polizeigewalt protestiert. Vor einem Gerichtsgebäude in der Hauptstadt demonstrierten am Dienstag nach Angaben der Polizei etwa 20.000 Menschen. Ausgelöst wurden die Proteste durch neue medizinische Befunde zum Tod eines Schwarzen jungen Mannes 2016 in Polizeigewahrsam. In Paris kam es zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen der Polizei und Demonstranten.

Audioreportage von USA-Korrespondent Max Böhnel zu den Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus

Viele Demonstranten zogen eine direkte Linie zu den derzeitigen Protesten in den USA nach dem Tod des Schwarzen George Floyd durch einen brutalen Polizeieinsatz. Protestteilnehmer trugen Schilder mit englischsprachigen Slogans wie »Black Lives Matter« (»Das Leben von Schwarzen zählt«) und »I can´t breathe« (»Ich kann nicht atmen«).

»Ich kann nicht atmen« hatte Floyd vergeblich gestöhnt, während ein weißer Polizist ihm fast neun Minuten lang sein Knie in den Nacken drückte. In den Protesten in Frankreich machten die Teilnehmer ihrer Empörung über den Tod des 24-jährigen Adama Traoré Luft. Er war gestorben, nachdem er bei einem gegen seinen Bruder gerichteten Polizeieinsatz festgenommen worden war. Die Ursachen von Traorés Tod sind umstritten.

Traorés ältere Schwester Assa sagte bei der Pariser Kundgebung: »Das ist heute nicht mehr nur der Kampf der Familie Traoré, es ist unser aller Kampf. Wenn wir heute für George Floyd kämpfen, kämpfen wir für Adama Traoré.« Nach der Kundgebung kam es zu Ausschreitungen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Polizeiwagen wurden mit Steinen und Flaschen beworfen, Barrikaden, Mülleimer und Fahrräder angezündet. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstranten ein.

Die Pariser Polizeipräfektur hatte die Proteste untersagt - aus Sorge vor Ausschreitungen, aber auch aus Infektionsschutzgründen. Versammlungen von mehr als zehn Menschen sind als Anti-Coronavirus-Maßnahme in Frankreich derzeit untersagt. Dennoch gab es auch in anderen Städten Demonstrationen gegen Polizeigewalt. So demonstrierten in Lille rund 2500 Menschen, in Marseille etwa 1800 Menschen und in Lyon rund 1200 Menschen.

Der Pariser Polizeichef Didier Lallement nahm seine Behörde gegen die Vorwürfe in Schutz. Die PariserPolizei sei »nicht gewalttätig und auch nicht rassistisch«, schrieb Lallement in einem Brief an seine Mitarbeiter.

Einer der an der Festnahme Traorés beteiligten drei Polizisten hatte ausgesagt, dass die Beamten den jungen Mann mit ihrem vereinten Körpergewicht heruntergedrückt hätten. Traoré verlor im Polizeiwagen das Bewusstsein und starb später auf einer Wache.

Laut einem am Dienstag veröffentlichten Untersuchungsbericht, der von Traorés Familie in Auftrag gegeben worden war, soll der junge Mann als Folge der von der Polizei angewendeten Methoden erstickt sein. Dies hatte bereits eine vorherige Untersuchung im Auftrag der Familie festgestellt. Ein anderer Untersuchungsbericht, der am Freitag veröffentlicht worden war, sprach hingegen die Polizei von Schuld an Traorés Tod frei. Demnach starb er an einem »kardiogenen Ödem«, das auf seinen schlechten Gesundheitszustand zurückzuführen sei.

Bereits am Montagabend hatten in der Pariser Vorstadt Bondy rund hundert Menschen gegen Polizeigewalt demonstriert. Zuvor war ein 14-Jähriger bei einem Polizeieinsatz schwer am Auge verletzt worden. Der Jugendliche hatte offenbar ein Mofa stehlen wollen.

Noch zwei weitere Fälle von möglicherweise exzessiver Polizeigewalt hatten seit Jahresanfang in Frankreich für Empörung gesorgt. Ein 42-jähriger Lieferfahrer war im Januar nach einer Polizeikontrolle am Pariser Eiffelturm erstickt. Die Polizisten drückten den Familienvater bäuchlings auf den Boden, er erlitt dadurch einen Kehlkopfbruch. In der südfranzösischen Stadt Béziers starb im April ein 33-Jähriger, nachdem er mit dem Gesicht nach unten fixiert worden war. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -