Kuba zapft Devisenquelle an
Kartenzahlung in Fremdwährung wird in allen Geschäften ermöglicht
Kartenzahlung ist möglich: Kuba erlaubt die Zahlung in US-Dollar, Euro, Schweizer Franken und anderen Fremdwährungen in seinen Einzelhandelsgeschäften. Zudem können künftig Nicht-Residenten, also Ausländer ohne festen Wohnsitz auf der Insel, entsprechende Devisenkonten bei kubanischen Banken eröffnen. Bisher war dies Kubanern und Residenten vorbehalten.
Die Maßnahme der Zentralbank entspreche der Linie der Regierung, »die Möglichkeiten für die Verwendung von Fremdwährungen als Zahlungsmittel für einige Produkte und Dienstleistungen im Land auszuweiten«, sagt der kubanische Ökonom Ricardo Torres Pérez vom Studienzentrum der kubanischen Wirtschaft (CEEC) an der Universität von Havanna.
Seit Ende Oktober haben auf Kuba 80 Devisenläden eröffnet, in denen vor allem Haushaltsgeräte und Autoteile in ausländischen Währungen erworben werden können. Um in den Shops einkaufen zu können, müssen Kubaner bei einer staatlichen Bank ein Konto in US-Dollar einrichten, das mit einer Girokarte verbunden wird. Die Regierung spricht von MLC (Moneda Libremente Convertible), frei konvertierbarer Währung.
Neu ist nun, dass nicht mehr nur in den neuen Devisenläden, sondern in allen Geschäften mit diesen Girokarten eingekauft werden kann, also auch in CUC-Läden oder in Geschäften mit Produkten in kubanischen Pesos (CUP). In Kuba zirkulieren seit 1994 zwei Währungen: nationaler Peso (CUP) und konvertibler Peso (CUC). Man kann künftig also in Geschäften auf Kuba mit Kartenlesegerät in US-Dollar oder Euro bezahlen, ohne dass die Fremdwährungen real zirkulieren.
Für Kubaner mache es allerdings wenig Sinn, im Einzelhandel mit Fremdwährungen per Karte zu zahlen, sagt Torres. »Denn Sie erhalten einen Wechselkurs, der nicht die Realität des Marktes widerspiegelt. Für diese Leute wäre es also einfacher und vorteilhafter, diese Fremdwährungen auf dem Schwarzmarkt zu tauschen, wo sie mehr CUCs erhalten und mit diesen CUCs dann einzukaufen.« Eine andere Sache wäre es, wenn das Angebot von Produkten, die nur in Fremdwährung verkauft werden, ausgeweitet würde, so Torres. Auch könnte die Ausweitung der Zahlung in Devisen auf den gesamten Einzelhandel eine Alternative für diejenigen sein, die auf Überweisungen aus dem Ausland, beispielsweise durch Familienmitglieder in den USA, angewiesen sind. Zumal es derzeit keine Flüge gibt, um Geld bar zu schicken. Auf die Konten in MLC kann Geld aus dem Ausland überwiesen werden.
»Ich weiß nicht, ob man mit diesen Karten US-Dollar auf der Bank abheben kann. Die einzige Alternative ist also, in den Laden zu gehen und einzukaufen«, sagt Torres. »In dem Maße, wie sich die Möglichkeiten zur Verwendung von Devisen als Zahlungsmittel erweitern, bedeutet dies, dass eine oder in diesem Fall mehrere Fremdwährungen die Landeswährung in einigen ihrer Funktionen ersetzen.«
Die Auswirkungen der Corona-Epidemie und des Einbruchs des Tourismus sowie der Verschärfung der US-Blockadepolitik durch die Trump- Administration treffen Kubas ohnehin kriselnde Wirtschaft hart. »Der Ursprung all dessen ist ein Problem in der Zahlungsbilanz, ein starker Devisenmangel«, so Torres. Der Staat versuche mit diesen Maßnahmen die größtmögliche Menge an Devisen abzuschöpfen, um damit auf dem Weltmarkt einzukaufen oder seine Schulden zu bezahlen. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP soll Kuba gerade erst in einem Schreiben an die 14 Länder des Gläubigerkartells Pariser Club, denen das Land Geld schuldet, ein Schuldenmoratorium für 2019, 2020 und 2021 mit einer Rückkehr zum Schuldendienst im Jahr 2022 vorgeschlagen haben.
»Die Probleme in der Zahlungsbilanz und die Tatsache, dass das Land nicht genügend Devisen erwirtschaftet, um seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen, wirken sich auf das Währungssystem im Land und die inländischen Währungen aus. Ein Ausdruck dieser Auswirkungen ist der Dollarisierungsprozess, bei dem Fremdwährungen die Landeswährung komplett oder zum Teil in einigen Geldfunktionen ersetzen«, sagt Torres. Dieser Prozess habe in Kuba schon vor einiger Zeit begonnen und wurde mit der Eröffnung besagter Devisenläden ab November 2019 weiter vorangetrieben. »Sie können die Probleme in der Zahlungsbilanz und die erwähnte Bitte der kubanischen Regierung an ihre Gläubiger vom Pariser Club um Zahlungsaufschub bis 2022 nicht trennen von dem in Kuba stattfindenden Dollarisierungsprozess und den Maßnahmen der Regierung zur größtmöglichen Einnahme von Devisen.«
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