Kritik an Sonderrecht der Kirche

Pfarrer machen Eingabe gegen Dienstgemeinschaft

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 2 Min.

Sozialpfarrer und Sozialwissenschaftler haben mit einer Eingabe die Evangelischen Kirche von Westfalen kritisiert. Die Verfasser Wolfgang Belitz, Jürgen Klute, Hans-Udo Schneider und Walter Wendt-Kleinberg vom »Sozialethisches Autorenkollektiv KDA 123« fordern darin, dass der Begriff »Dienstgemeinschaft« in der Kirche und Diakonie aufgegeben wird. Dazu soll er auch in allen einschlägigen Gesetzen, Verlautbarungen und offiziellen Äußerungen entfernt und zukünftig nicht mehr verwendet werden. Die 13-seitige Eingabe mit dem Titel »Verhängnisvolle Dienstgemeinschaft« liegt »nd« vor und wurde auch Kirchenmitgliedern öffentlich gemacht.

Die Verfasser weisen darauf hin, dass das Wort »Dienstgemeinschaft« dem Faschismus entspringt. Es sei eine »genuine Neukonstruktion des Nationalsozialismus mit exklusivem Ursprung im Nationalsozialistischen Arbeitsrecht und geprägt von der nationalsozialistischen Weltanschauung«. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe die Evangelische Kirche in der Bundesrepublik weitgehend an dem Begriff und seinen gewerkschaftsfeindlichen Inhalten festgehalten. So schreibt die Regelung der »Dienstgemeinschaft« unter anderem vor, dass Gewerkschaften, Betriebsräte, Tarifverträge, Tarifautonomie und Streikrecht in den entsprechenden kirchlichen Einrichtungen nicht vorgesehen sind. »Die Evangelische Kirche Deutschlands knüpft nach 1945 nicht an Weimar an, sondern schreibt Realitäten von 1934 fort«, so die Autoren.

Konkret gehen sie auf die Interessengruppen ein, die innerhalb der Kirche an dem Begriff festhalten. »Nützlich wurde, war und ist der Begriff als Abwehr-, Kampf- und Beschwichtigungsbegriff nach außen und nach innen«, heißt es entsprechend in der Eingabe. Er würde ins Feld geführt gegen die Rechte der Beschäftigten, um das gesamte Arbeitsrecht als kirchliches Sonderrecht selbst gestalten zu können. »So nützt der Begriff allein Arbeitgebern und Gesetzgebern des kirchlichen Establishments.« Die Verfasser kritisieren, dass das Konzept der »Dienstgemeinschaft« die »realen Interessengegensätze der modernen Arbeitswelt verschleiert, ihren Ausgleich verbaut und in Traditionen verbleibt, aus denen sich Kirche und Diakonie bis heute nicht vollständig befreit haben«.

Bereits 2007 hatte der Sozialwissenschaftler und kirchliche Mitarbeiter Hermann Lührs unter dem Titel »Kirchliche Dienstgemeinschaft. Genese und Gehalt eines umstrittenen Begriffs« eine kritische Untersuchung veröffentlicht. Im Jahr 2015 gab der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die Denkschrift »Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt« heraus. In dem Papier wird der Streik gewürdigt, ein allgemeinverbindlicher Flächentarifvertrag als »wichtige Option« bezeichnet und für die Aufgabe des Kampfbegriffes »Dienstgemeinschaft« plädiert.

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