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Reale Repression, erfundene Anstifter »von Außen«
Die Rede von »externen Unruhestiftern« bei den Protesten in den USA hat eine rassistische Vergangenheit
Die Proteste wegen des Todes von George Floyd werden friedlicher und breiter - und sie widerlegen Propagandabehauptungen. In vielen Städten setzten sich Demonstranten erneut über die inzwischen selbst in vielen kleineren Städten verhängten Ausgangssperren hinweg; friedlichen Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus gab es anders als am Vortag auch unweit des Weißen Hauses in Washington DC. Ausschreitungen oder Plünderungen gab es Dienstagnacht nur noch vereinzelt.
Zählungen von Protestforschern des »Crowd Counting Consortium«, die »nd« vorliegen, zeigen: In den vergangenen Tagen gab es Veranstaltungen in über 400 Städten im ganzen Land, viele von ihnen fanden in Kleinstädten mit nur wenigen Hundert Teilnehmern statt. In der Heimatstadt von George Floyd versammelten sich am Dienstag die meisten Menschen zusammen. 60 000 kamen zur Black-Lives-Matter Kundgebung in Houston, darunter auch einige schwarze Reiter auf Pferden. Floyd sei »nicht umsonst gestorben«, so beschrieb der Bürgermeister von Houston, Sylvester Turner, seine Hoffnung auf Wandel im Land.
Der Anwalt der Familie Floyd erwartet, dass in der nächsten Woche auch die drei weiteren am Tod von George Floyd beteiligten Polizisten angeklagt werden. Einen Tag vor der Beerdigung von George Floyd in Houston am nächsten Dienstag wird der erste Prozesstag des Verfahrens gegen den weißen Polizisten Derek Chauvin stattfinden. Er ist der erste weiße Polizist, der wegen der Tötung eines Schwarzen von der Justiz Minnesotas belangt wird. Der Bundesstaat wird außerdem eine Untersuchung der Polizeiarbeit der Polizei in Minneapolis einleiten. Es soll geklärt werden, ob und wie die Beamten in den vergangenen zehn Jahren gegen Bürgerrechte verstoßen haben, erklärte Gouverneur Tim Walz.
Der Demokrat hatte in den vergangenen Tagen in seinen Bemühungen die Ausschreitungen in Minneapolis zu beenden auch rassismuskritische Rhetorik benutzt und Verständnis für die Wut schwarzer Demonstranten gezeigt. »Natürlich verfüge ich nicht über ihre Erfahrungen«, erklärte er zum Beispiel. Doch Walz hatte vergangene Woche auch erklärt, »Agitatoren von außerhalb« seien verantwortlich für die Gewalt.
In den vergangenen Tagen wurde die Rede von den solchen »outside agitators« vielerorts von Lokalpolitikern der die meisten US-Städte regierenden Demokraten aufgegriffen und in verschiedenen Variationen wiederholt. Was als Delegitimierung der Ausschreitungen gedacht war, ist falsch, wie Polizeidaten zeigen: Sowohl in Minneapolis als auch in anderen Städten kam die übergroße Mehrheit der Verhafteten aus der Stadt und dem Bundesstaat und nicht von anderswo. Tatsächlich hat der Begriff eine rassistische Vergangenheit. Weiße Rassisten und Ku-Klux-Klan-Flyer hatten mit dem Begriff schon vor vielen Jahrzehnten schwarzen Einwohnern in den Südstaaten gedroht und versucht, sie von der Kontaktaufnahme und der Kooperation mit kommunistischen Aktivisten und später mit Bürgerrechtlern abzuhalten.
Linke Gruppen unterstützen die Proteste in den USA. Aber: Anders als ihr Trump-höriger Dienstherr, Justizminister Willam Barr, nahegelegt hatte, besitzt die Bundespolizei FBI zumindest in Washington DC laut einem dem linken Magazin »The Nation« zugespielten FBI Memo »keine Erkenntnisse über eine Beteiligung der Antifa« an gewaltsamen Ausschreitungen bei Black-Lives-Matter-Protesten am 31. Mai in der US-Hauptstadt. Am selben Tag hatte Donald Trump erklärt, »die Antifa« als terroristische Vereinigung einstufen lassen zu wollen.
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Was dagegen real ist, ist das weiterhin massive Vorgehen der Behörden, teilweise auch mit exzessiver Polizeigewalt auch gegen friedliche Proteste. Rund 9300 Menschen wurden landesweit laut einer Zählung der Nachrichtenagentur Associated Press in 40 Städten verhaftet, unter anderem wegen Diebstahl, aber auch wegen der Verletzung von Ausgangssperren.
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