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Der Eroberer

Leon Goretzka ist in der Corona-Pause zum Paradespieler bei Bayern München gereift

  • Daniel Theweleit, Leverkusen
  • Lesedauer: 4 Min.

Hansi Flick kam nicht zur Ruhe, als die Anhänger des FC Bayern München sich in den finalen Minuten des souveränen Sieges in Leverkusen langsam vor den Bildschirmen entspannen konnten. Mit 4:1 führte sein Team, aber der Trainer hatte ein leicht reduziertes Energielevel bei einigen Spielern wahrgenommen. Solche Regungen im Gefüge seines Teams kann Flick überhaupt nicht leiden - nicht, weil der 4:2-Sieg, den der designierte Meister am Ende bejubeln konnte, noch in Gefahr hätte geraten können. Sondern weil Konsequenz und Willenskraft zentraler Wesenszug seiner Mannschaft sein sollen. Immer. Und ohne jede Einschränkung.

Also kritisierte, brüllte und motivierte der Trainer seine Spieler, mit dem erhofften Effekt: »Die Mannschaft lässt nie nach«, sagte er, nachdem seine Aufforderungen Wirkung gezeigt hatten. Und dieser ewige Hunger hat auch damit zu tun, dass mit Leon Goretzka ein Profi im Zentrum des Münchner Spiels wirkt, der alles verkörpert, was der Trainer sich vorstellt: taktische Reife, Dynamik, Charakter, Torgefahr und Willensstärke in jeder Minute in jedem Spiel.

Die Bayern waren nach einem frühen Treffer von Lucas Alario in Rückstand geraten (9.), in diesem kritischen Moment wurde Goretzka zur großen Autorität im Mittefeld. Mit einer beeindruckenden Balleroberung und einem sauberen Pass auf Kingsley Coman bereitete der 25 Jahre alte Nationalspieler das 1:1 vor, das 2:1 schoss er selbst.

Flick schwärmte: Diese Wendung sei möglich gewesen weil sein Team »sehr aggressiv gepresst« habe und »in die Zweikämpfe reingegangen« sei. »Und da war gerade Leon bei den ersten beiden Toren maßgeblich beteiligt und hat die Akzente gesetzt, die man, wenn es nicht so gut läuft, braucht. Das hat er hervorragend gemacht.«

Mancher Experte hatte im Vorfeld des Spiels gemutmaßt, dass Goretzka seinen Platz in der Startelf verlieren könnte, weil der Ballvirtuose Thiago von seiner Leistenverletzung genesen war. Aber Goretzka ist im Moment unverzichtbar im Spiel der Bayern. Seine Reife, sein strategisches Geschick und seine Dominanz in den engen Mittelfeldräumen ergeben eine Mischung, die ihn im Moment zum vielleicht besten Spieler der Liga macht. In eher leichten Partien wie dem 5:0 gegen Düsseldorf in der Vorwoche ebenso wie in Topspielen wie nun in Leverkusen. Goretzka sei »wahnsinnig präsent«, gewesen, lobte Flick.

Es gibt viele andere Balleroberer im Mittelfeld, die sich in Zeiten ohne Pandemie im Zusammenspiel mit dem Publikum emotional aufladen. Die die Intensität einer brodelnden Atmosphäre brauchen, um in die Grenzbereiche der eigenen Leistungsfähigkeit hineinzukommen. Goretzka kann das auch in der sterilen Atmosphäre dieses Frühjahrs. Man sei »auf sich alleine gestellt, beziehungsweise auf die Mitspieler angewiesen, die dich puschen«, berichtete er. Beim FC Bayern gelinge es sehr gut, in »diesen Modus Matchday« umzuschalten. Thomas Müller, Robert Lewandowski oder Joshua Kimmich, Goretzkas kongenialer Partner im Mittelfeld, sind ebenfalls Typen, die ihre Arbeit mit dieser Sorte Seriosität erledigen.

Dass Goretzka, der vor der Saisonunterbrechung Woche für Woche um einen Platz in der Startelf kämpfen musste, nun zumindest vorübergehend in diesen Kreis der Anführer aufgestiegen ist, scheint mit dem Training während der spielfreien Wochen zu tun zu haben.

Während des Shutdowns hat der ehemalige Schalker intensiv an seinem verletzungsanfälligen Körper gearbeitet, hat Krafttraining gemacht. Das Trikot spannt nun an den Schultern und den Oberarmen. Offensichtlich tut ihm das gut. Es birgt immer Risiken, wenn Spieler sich zu so einem Schritt entschieden, bei falschen Impulsen drohen Tempo und Beweglichkeit verloren zu gehen. Goretzka hat seine Arbeit an den Gewichten aber im engen Austausch mit den Athletiktrainern durchgeführt. »Ich fühle mich so, wie es aktuell ist, sehr gut. Ich habe nicht irgendwie an Geschwindigkeit verloren, im Gegenteil«, sagte er nach dem Spiel.

Womöglich ist diese Hintergrundarbeit an der Säbener Straße ein wichtiger Aspekt des Erfolges während dieser entscheidenden Bundesligawochen. Beim großen Konkurrenten in Dortmund, wo sie so gerne auch mal wieder deutscher Meister werden würden, kamen die Schlüsselspieler Jadon Sancho, Emre Can und Axel Witsel mit körperlichen Problemen aus der Pause. Erling Haaland verletzte sich im zweiten Spiel.

Die Bayern wirken hingegen nicht nur ausgeruht und fit wie selten, sondern im Falle von Goretzka sogar grundlegend stabiler und gesünder. »Das tut uns gut«, sagte Trainer Flick über Goretzkas Form und Fitness und klopfte auf das Podium im Leverkusener Presseraum, um seiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass dieser Zustand möglichst lange erhalten bleiben möge.

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