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Die ahnungslose Frau von der Leyen
Union und SPD legen Abschlussbericht zur millionenschweren Berateraffäre im Verteidigungsministerium vor
Quod erat demonstrandum - was zu beweisen war. Für gewöhnlich schreiben Mathematiker q.e.d. unter die von ihnen verfasste Beweisführung, um die Logik ihres Denkens zu unterstreichen. Nun stellten die Unions- und SPD-Abgeordneten, die in dem zum Untersuchungsgremium umfunktionierten Verteidigungsausschuss die sogenannte Berateraffäre untersuchen sollten, das Kürzel quasi unsichtbar über ihren insgesamt 75-seitigen Abschlussbericht.
Dabei ist die darin enthaltene Beweisführung alles andere als stringent. Kernpunkt: Die einstige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen trifft keine politische Verantwortung für die teilweise rechtswidrigen Vorgänge in ihrem Hause. Betont wird, dass sie »kaum eine Entscheidungsvorlage zu den untersuchten Vorgängen selbst gezeichnet« habe. Was zweifellos stimmt, denn es gehörte zum Leitungsprinzip von der Leyens, Verantwortung dort zu belassen, wo sie die entsprechende Kompetenz verortete. Doch Beobachter sind sicher: Die Ressortchefin wusste meist recht gut, worum es ging, schon, um nicht selbst zwischen politische Mühlsteine zu geraten.
Von der Leyen wollte Ordnung in das ererbte ministerielle Chaos bringen. Dazu holte sie sich Katrin Suder ins Haus. Die taffe Frau hatte bis dahin beim Unternehmensberater McKinsey gearbeitet. Als Staatssekretärin war sie - wie der Aufwuchs bei der Bundeswehr beweist - im beabsichtigten Sinne erfolgreich. Nur ging eben nicht immer alles gesetzeskonform zu. Vorwürfe gab es auch gegen andere Weichensteller im Ministerium. Die Rede ist sogar von Vetternwirtschaft. Die Bundeswehr sei zum Selbstbedienungsladen von Beratern geworden, kritisierte die Opposition. Einer zog den anderen nach - bis der Bundesrechnungshof 2018 grundsätzlich Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit des Einsatzes externer Berater anzweifelte, der Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verursacht hatte. Linke, Grüne und FDP erzwangen danach die Einsetzung des Untersuchungsausschusses.
Nicht alle Verträge sind so simpel durchschaubar wie ein Deal, den der Suder unterstellte Abteilungsleiter Planung einfädelte: General Erhard Bühler, inzwischen im Ruhestand, handelte Ende 2017 Verträge mit der Beratungsfirma Accenture aus, quasi unter der Hand. Und so kommen auch Union und SPD nicht umhin festzustellen: »Diese Direktbeauftragung erfolgte unter Verstoß gegen das Vergaberecht.« Dass Bühler mit dem Accenture-Geschäftsführer allzu gut bekannt und Taufpate von dessen Kindern war, kam erst durch Medienrecherchen heraus.
Zu glauben, die Ministerin habe von diesen und anderen allzu engen Beziehungen ihrer Mitarbeiter zum Management von Beratungsunternehmen kaum etwas erfahren, setzt viel Blauäugigkeit voraus. Und so räumen die Abgeordneten von Union und SPD in ihrem Bericht immerhin ein, von der Leyens Büro sei »von den entscheidenden Vorgängen stets in Kenntnis gesetzt« gewesen. Die Entscheidungen aber seien »häufig auf Ebene der Staatssekretäre getroffen« worden. Aus Sicht der meisten Oppositionsvertreter im Untersuchungsausschuss ist diese Reinwaschung schon recht unverfroren. Doch wie beweist man das Gegenteil?
Leicht hätte sich die Unschuldsthese widerlegen lassen, wäre da nicht jemand bei Löschen der Daten auf von der Leyens Diensthandy allzu gründlich gewesen. So reichte es, dass die heutige EU-Kommissionschefin bei ihrer Befragung durch den Ausschuss im vergangenen Februar pauschal Fehler bei der Auftragsvergabe eingeräumte und im Übrigen auf Erinnerungslücken verwies.
Union und SPD wollen nun nach vorn schauen und zeigen sich überzeugt, dass »die ergriffenen Maßnahmen, die auch auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses zurückgehen«, geeignet seien, dass sich »die untersuchten Sachverhalte so nicht wiederholen können«.
Bis zum Monatsende wird diese im Bericht zusammengefasste Sicht der Regungsparteien auf den Beraterskandal Bestand haben. Dann, so der Plan, äußert sich die Opposition.
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