- Politik
- Christoph Butterwegge
Kölner Armutsforscher will volle Beibehaltung des Solidaritätsbeitrags als Corona-Soli
Corona-Konjunkturpaket helfe vor allem finanzstarken Unternehmen, die Ärmsten seien «vergessen» worden
Berlin. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge hat das geplante 130-Milliarden-Konjunkturpaket der großen Koalition kritisiert. «Dieses Konjunkturprogramm setzt einen starken Impuls für die Wirtschaft, mir gefällt aber nicht, dass rund 100 Milliarden auf die Unternehmen und nur 30 Milliarden auf Konsumenten, Arbeitnehmer, Transferleistungsbezieher und ihre Familien entfallen», sagte Butterwegge der «Rheinischen Post». «Man hat den Eindruck, dass die Ärmsten vergessen wurden.»
Das Konjunkturprogramm umfasst unter anderem die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent sowie des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 auf 5 Prozent ab dem 1. Juli für ein halbes Jahr. «Am meisten profitieren umsatzstarke Konzerne», sagte Butterwegge. «Es ist auch ein Unterschied, ob man 2.400 Euro bei einem 80.000 Euro teuren Sportwagen spart oder ein paar Cent bei der Trinkmilch.» Der Armutsforscher fordert deshalb einen Ernährungsaufschlag von 100 Euro im Monat unter anderem für Hartz IV-Empfänger.
Eine gezielte Unterstützung von Bedürftigen wäre meines Erachtens nicht bloß moralisch geboten, sondern auch ökonomisch sinnvoll, weil dadurch die Massenkaufkraft gestärkt und die Binnenkonjunktur angekurbelt würde«, ergänzte Butterwegge.
Der Kölner Politologe machte auch einen Vorschlag für die spätere Finanzierung eines solchen Programms. »Weitere Steuersenkungen für Spitzenverdiener und Vermögende wären jetzt ein falsches Signal. Vielmehr sollte man den Solidaritätszuschlag in voller Höhe beibehalten und in einen Corona-Soli umwandeln«, sagte er der Zeitung.
Zugleich sprach Butterwegge sich für eine Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge aus. »Das würde den Menschen zugutekommen, die wie Obdachlose, Erwerbslose, Pflegebedürftige, Behinderte oder Flüchtlinge besonders hart von der Coronakrise betroffen sind.« Der Bund müsse deshalb die Kommunen in die Lage versetzen, für solche Menschen Angebote zu schaffen, also etwa Jugendzentren, Begegnungsstätten, Sanitärstationen und Frauenhäuser. Butterwegge: »Ich nenne das den Bereich der Fundamentalökonomie.«
Außerdem beinhaltet das geplante Konjunkturprogramm einen Kinderbonus von 300 Euro, der ebenfalls vom 1. Juli an ausgezahlt werden soll. Nach Ansicht des Politologen sei er eine »Pauschalzahlung, die weder Rücksicht auf den jeweiligen Bedarf nimmt noch dauerhaft hilft.« Er kritisierte: »Verglichen mit den Kaufprämien für teure Elektroautos der Premiumklasse handelt es sich um Almosen.«
Auch die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, kritisierte das Paket der großen Koalition. »Mit 130 Milliarden hätten wir das notwendige sozial-ökologische Umsteuern einleiten können. Herausgekommen ist stattdessen ein Flickwerk, das unser Land nicht krisenfester macht«, sagte sie der »Rheinischen Post«. Der Familienbonus bringe als Einmalzahlung dauerhaft keine Verbesserung für arme Familien. dpa/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.