»Um zu ...«

Stephan Kaufmann fehlt das gute Leben in der Investition

An gesellschaftlichen Missständen herrscht derzeit kein Mangel: Corona-Pandemie, Wirtschaftskrise, Klimawandel, Armut und einiges mehr. Politiker und Ökonomen besprechen diese Missstände nicht als Ergebnis, sondern als »Problem« der herrschenden Wirtschaftsweise, womit gleichzeitig die Existenz einer »Lösung« unterstellt wird. Und die wird mitgeliefert: Investitionen. Sie sollen der magische Akt sein, der alles wieder ins Lot bringt. Gegen den Klimawandel werden Investitionen in Klimaschutz gefordert, man wirbt für Investitionen in Gesundheit, in »Zukunftstechnologien«, ja sogar in soziale Gerechtigkeit.

»Investition« ist heutzutage ein schillernder Begriff. Während der Konsum eine bloße Geldausgabe ist, mittels der man sich etwas beschafft und dann verbraucht und anschließend ärmer ist, verspricht die Investition ein »Mehr«, einen Zuwachs. Sie soll nicht ärmer machen, sondern reicher. In der ursprünglichen Bedeutung des Wortes investierten Unternehmen eine Geldsumme, sagen wir 1000 Euro, zu dem Zweck, mit ihrer Hilfe 1100 Euro einzunehmen, also einen Gewinn zu erzielen. Dieses Konzept wird heute auf alle Lebensbereiche übertragen.

So haben Ökonomen der Universitäten Los Angeles und San Francisco nun untersucht, wie Studenten an der Universität sich nicht nur Wissen aneignen, sondern auch Netzwerke bilden: Sie »tätigen Investitionen, um Freundschaften wie auch andere Formen von Sozialkapital zu akkumulieren«: Wer in jungen Jahren fünf bis sechs Freundschaften schließe, den erwarte ein durchschnittlicher Einkommenszuwachs von zehn Prozent.

Investition ist ein ideologisch leistungsfähiges Konzept. Zum einen lässt es alle Differenzen zwischen Arbeit und Kapital verschwimmen. Der abhängig Beschäftigte wird zum Unternehmer seiner selbst. Wenn er Menschen zum Essen einlädt, investiert er in künftige Einnahmen genauso wie ein Unternehmer, der sich eine Maschine oder eine Arbeitskraft einkauft. Lohn und Profit werden zu Formen des Gleichen: Einkommen.

Zum anderen verwandelt das Konzept alle Zwecke in Mittel für etwas anderes: Wer schläft, isst, Sport treibt oder eine Familie gründet, der tut dies nicht, um seinen Bedürfnissen und Neigungen nachzukommen, sondern er investiert in sein Human- oder Sozialkapital in der Hoffnung auf spätere Rendite. In der Investition wird alles zu einem »Um zu«, sie kennzeichnet das Gegenteil des guten Lebens.

Körper, Familie, Freunde werden zu Instrumenten zur Erzielung eines Mehrwerts, ebenso wie auf gesellschaftlicher Ebene der Klimaschutz, die Gesundheit oder die soziale Gerechtigkeit. Mit der Investition steht alles unter dem Vorbehalt einer späteren Rendite, wobei die Frage offen bleibt: Was geschieht, wenn sich diese Rendite nicht einstellt?

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