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Die Symbolkraft von Denkmälern - und ihres Falls
Im Zuge der weltweiten Proteste gegen Polizeigewalt wurden auch glorifizierende Monumente der rassistischen Geschichte gestürzt
Christoph Kolumbus vom Sockel gestürzt, der Sklavenhändler Edward Colston in den Fluss geworfen, Konföderierten-Denkmäler besprüht: Im Zuge der weltweiten Proteste gegen Polizeigewalt wurden auch glorifizierende Monumente der rassistischen Geschichte in den USA, Großbritannien und anderen Staaten angegriffen. Teilweise hat die Politik darauf bereits reagiert: Antwerpen hat eine Statue des brutalen belgischen Königs Leopold II. entfernt und auf den Weg ins Museum geschickt. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat angekündigt, elf Denkmäler aus dem Kapitol zu entfernen, die Führer der Konföderierten Staaten und Soldaten aus dem Bürgerkrieg zeigen.
Auch in Deutschland wird bis heute mit zahlreichen Straßennamen und Denkmälern Rassisten, Kolonialisten und Kriegsverbrechern gedacht. Seit Jahrzehnten kämpfen postkoloniale Gruppen aus vielen Städten darum, Straßen umzubenennen und Denkmäler zu verändern. Doch die Widerstände dagegen sind groß, die Geehrten scheinen sakrosankt. Die Macher des Berliner Humboldt-Forums, die nach viel Kritik an der geplanten Ausstellung kolonialer Raubgüter den Anspruch verkündeten, die Kolonialzeit kritisch aufarbeiten und den verschiedenen Kulturen und Religionen auf Augenhöhe begegnen zu wollen, setzten im christlichen Überlegenheitsgestus erst kürzlich ein Kreuz auf die Kuppel des nachempfundenen Preußenschlosses.
Unterdessen fristen Statuen, die schon »gestürzt« wurden, ein Dasein im Depot, »weggesperrt und ohne Konzept«, wie Christian Kopp von Berlin Postkolonial sagt. Dabei gibt es Vorschläge für einen anderen Umgang. Den Aktivist*innen geht es weniger darum, Denkmäler zu zerstören oder gar einzuschmelzen. Stattdessen könnte man die Monumente umgestalten, hinlegen, auf den Kopf stellen, »Gegendenkmäler« dazustellen oder einen »Postkolonialen Park« einrichten, letzteres ein Vorschlag der Künstlerin Hannimari Jokinen von Hamburg Postkolonial. Eine zentrale Forderung der Gruppen dabei ist, die von Rassismus betroffenen Menschen in Deutschland und den ehemaligen Kolonien in die Planung einzubeziehen.
Schnaps, Flotten und ein Politiker: Otto von Bismarck
Das größte Denkmal für Otto von Bismarck (1815–1898) steht in der Hansestadt Hamburg. Warum gerade dort? Der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial beantwortet diese Frage damit, das über 34 Meter hohe Denkmal sei ein koloniales Monument, ein Dank der Hamburger Kaufleute an Bismarck für die Kolonien.
Dabei hatte sich Bismarck lange gegen »koloniale Abenteuer« gesträubt: Seine Priorität lag in der Konsolidierung des jungen Reiches im komplexen Machtgefüge Europas. Auf internen Druck mächtiger Lobbys hin vollzog er aber eine Art Kurswechsel – und wurde als Leiter der »Berliner Konferenz« von 1884/85 zum Akteur der »Aufteilung« Afrikas unter den imperialistischen Mächten.
Weniger bekannt ist, dass Bismarck mehrere Schnapsbrennereien besaß, deren Produkte er – gepanscht – auch nach Afrika exportierte. Und zwar auf den Schiffen der Reederei Woermann, deren Export um 1885 zu gut zehn Prozent aus Schnaps bestand. Adolph Woermann gehörte zu den Kolonialkaufleuten, die das 1906 – zur Zeit der großen Widerstandskriege im heutigen Tansania und Namibia und dem Genozid an den Herero und Nama – errichtete Bismarck-Monument finanzierten.
Bereits 1883 hatte sich Woermann, stellvertretend für den hanseatischen Handel, in einer Flottenpetition für ein deutsches Protektorat in Afrika eingesetzt, um den Handel vor Konkurrenz zu schützen. Was nun tun mit dem übergroßen Bismarck, der – neben der Speicherstadt – auch ein Symbol ist für den Reichtum, den die Stadt Hamburg und ihre Händler unter dem »Schutz« des deutschen Reichs aus den Kolonien nach Deutschland brachten? Die Aktiven meinen: Jedenfalls nicht, wie geplant, für neun Millionen Euro sanieren.
Der Rachefeldzug des Alfred Graf von Waldersee
Das Waldersee-Denkmal in Hannover steht bis heute. Und quer durch Hamburg-Othmarschen führt eine nach Alfred Graf von Waldersee (1832–1904) benannte Walderseestraße.
Der preußische Generalfeldmarschall entwickelte ab 1885 Strategien für einen »präventiven« Krieg gegen Frankreich und Russland. Später erhielt Waldersee dann im Boxerkrieg 1900/1901 den Oberbefehl über die europäischen Truppen. Kaiser Wilhelm II. hatte die Soldaten zuvor öffentlich dazu aufgefordert, den Einsatz in China unter Nichtachtung des Völkerrechts zu führen und Peking dem Erdboden gleichzumachen. Als die Truppen China erreichten, war Peking bereits seit etwa vier Wochen in europäischer Hand, dennoch führten sie unter Waldersee einen knapp einjährigen und äußerst brutalen Rachefeldzug: Tausende Zivilisten wurden ermordet, es kam zu vielen – schon damals als völkerrechtswidrig geltenden – Plünderungen, Hinrichtungen und Massakern.
In Hamburg versuchen Aktive und Initiativen deshalb schon lange, eine Umbenennung der Straße zu erwirken. 2018 scheiterten sie mit ihrem Versuch, die Straße umzuwidmen – nach dem chinesischen Migranten Chong Tin Lam. Der gelernte Koch war 1938 nach Hamburg eingewandert, weil er im kolonisierten und verarmten China nicht mehr den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten konnte. Im »Chinesenviertel« in St. Pauli lebte und arbeitete er fortan als Gastwirt. Statt einer Umbenennung wurde schließlich nur am Straßenschild eine kritische Ergänzung angebracht.
Zum Sklavenbefreier verklärte Katastrophe: Hermann von Wissmann
Mit dem Tropenhelm als Kopfbedeckung steht es noch heute im Harz: ein zeitgenössisches Denkmal für Hermann von Wissmann (1853–1905). Zur Zeit der Berliner »Afrika-Konferenz« 1884 bereiste er im Auftrag König Leopolds II., eines der brutalsten Kolonialisten Europas, das Kongobecken, um für diesen Bodenschätze und Handelsrouten zu lokalisieren. Nachdem Ostafrika zum »deutschen Protektorat« erklärt worden war, leisteten die Menschen an der Ostküste im heutigen Tansania von 1888 bis 1890 Widerstand. Und Wissmann wurde beauftragt, diesen – von den Kolonialisten »Araberaufstand« genannt – niederzuschlagen.
Seine »Wissmanntruppe«, bestehend aus deutschen Offizieren und afrikanischen Söldnern (Askari), führte den ersten Landkrieg deutscher Truppen auf afrikanischem Boden. Dabei wurde er, so der Historiker Michael Pesek, auch von einem arabischen Sklavenhändler mit Rekruten versorgt. Nach dem Prinzip der »verbrannten Erde« wurden Dörfer geplündert, Vorräte in Brand gesteckt und die gefangenen Menschen zur Arbeit auf den Plantagen der deutschen Siedler gezwungen.
Ein Anführer des Widerstands, Bushiri bin Salim, wurde gefangen genommen und nach einem kurzen Prozess zum Tode verurteilt und gehängt. In die deutsche Kolonialliteratur ging der Plantagenbesitzer als Sklavenhändler ein – und Wissmann als Befreier der Sklaven ins öffentliche Gedenken. Für den Historiker Jürgen Zimmerer ist das Kolonialpropaganda. Der Krieg der »Wissmanntruppe« sei als Kampf gegen arabische Sklavenhändler verkauft worden. Dabei sei es vor allem um die Brechung von deren Einfluss und Gewaltmonopol gegangen.
Der Aktivist Mnyaka Sururu Mboro von Berlin Postkolonial kennt Wissmann unter dem Namen: »maafa«. Das heißt so viel wie Katastrophe. Bis heute sind ihm deutsche Straßen gewidmet, die Wissmannstraße in Berlin-Neukölln soll demnächst umbenannt werden.
»Hänge-Peters« mit der blutigen Hand: Carl Peters
Wie aus der Zeit gefallen wirkt das Peters-Denkmal mit Reichsadler und Nazi-Ästhetik in Hannover. Tausende Kilometer entfernt von der niedersächsischen Hauptstadt – im heutigen Tansania, Burundi und Ruanda – hatte der auch als »Hänge-Peters« und in Tansania als mkono wa damu (blutige Hand) bekannte Carl Peters (1856–1918) als Reichskommissar gewaltsam die Kolonie »Deutsch-Ostafrika« errichtet.
Zuvor hatte er die Gesellschaft für deutsche Kolonisation ins Leben gerufen, um die »deutsche Nation endlich an der Verteilung der Erde« zu beteiligen. In der Kolonie »Deutsch-Ostafrika« war er für die willkürliche Anwendung der Todesstrafe, oft aus rein persönlichen Gründen, bekannt und wurde 1892 unehrenhaft entlassen.
Die Nationalsozialisten »entdeckten« ihn später als einen der »großen Deutschen« wieder – und benannten zahlreiche Straßen nach ihm. Inzwischen wurden einige umbenannt: etwa in Köln (1990), Karlsruhe (1987), München (2000) oder Kiel (2007). Durch Berlin-Wedding führt die Petersallee allerdings immer noch. Und auch das Denkmal in Hannover ist bis heute erhalten. Erst Mitte der Achtziger Jahre nahmen sich politische, kirchliche und friedensbewegte Gruppen dieser nationalsozialistischen Personenverherrlichung an und forderten eine kritische öffentliche Aufarbeitung.
Ihre Idee: die Statue zu einem antikolonialen Denkmal umwidmen und mit einer Mahntafel ergänzen. Zunächst scheiterte der Antrag an der CDU-Mehrheit im Bezirksrat mit der Begründung, dass man keiner »banalen Belehrung« bedürfe und es in der Bundesrepublik keine Kolonialgedanken mehr gebe. Es dauerte drei weitere Jahre, bis die »Mahntafel gegen den Kolonialismus« am 30. Juni 1988 angebracht werden konnte. Für Christian Kopp vom Verein Berlin Postkolonial ist »eine kleine Tafel allerdings zu wenig«. Stattdessen könnte man das Denkmal zum Beispiel hinlegen, schlägt er vor.
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