Erste Erfolge sind sichtbar

Max und Moritz analysieren im Chat mit Oliver Kern jede Woche den US-Wahlkampf

  • Max Böhnel und Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.
MUM9 - Erste Erfolge sind sichtbar

Die Proteste in den USA ebben kaum ab. Dennoch stellt sich die Frage, wie weiter? Wie nachhaltig können die Proteste gegen Rassismus und Polizeibrutalität wirken? Ein Fokus liegt auf dem 3. November, wenn nicht nur der US-Präsident und der Kongress gewählt werden, sondern auch unzählige Regionalparlamente sowie lokale Sheriffs, Staatsanwälte und Richter. Moritz, warum sind diese Posten gerade jetzt so wichtig?

Max und Moritz
Max Böhnel und Moritz Wichmann analysieren jede Woche im Chat mit Oliver Kern den US-Wahlkampf. Diesmal ist Max dran. Der US-Korrespondent des »nd« und mehrerer Radiosender in Deutschland, Österreich und der Schweiz lebt seit 1998 in New York.

Wenn Cops nach Fällen von Polizeigewalt nicht angeklagt wurden, kann man durch Wahlen diese Politik ändern. Ich bin grundsätzlich Optimist, wenn auch ein verhaltener, doch es gibt tatsächlich Grund für Optimismus. Der landesweite Protest zeigt schon erste Zwischenerfolge. Polizisten, die brutal gegen Demonstranten vorgegangen sind, wurden schnell entlassen. Es deutet sich ein Kulturwandel an. In rund 35 großen Städten werden die Chefposten bei Polizei und Staatsanwaltschaft bislang von alten «Law and Order»-Demokraten« besetzt, die brutale Polizisten kaum verfolgten. Jetzt stehen ihnen progressive Herausforderer gegenüber, die das ändern wollen.

Was können die denn ändern?

In San Francisco zum Beispiel ist Chesa Boudin neuer Bezirksstaatsanwalt. Als er im Januar sein Amt antrat, hat er mehrere Staatsanwälte entlassen, die ihm nicht progressiv genug waren. Er beendete die Praxis, dass Leute auch bei Bagatellvorwürfen nur auf Kaution aus der Untersuchungshaft kommen. Arme Menschen konnten sich das oft nicht leisten und saßen unnötig im Gefängnis. Im Zuge der Proteste weigert sich Boudin auch, Strafverfahren gegen verhaftete friedliche Demonstranten einzuleiten. Cops mit Missbrauchsgeschichte will er nicht mehr einstellen. Und vieles mehr.

Der Demokrat Bill Clinton trieb als Präsident die Militarisierung und Aufstockung der Polizei voran. Gibt es jetzt eine Gegenbewegung?

Die gibt es schon seit einer Weile - auch unter Republikanern. Donald Trump selbst hat ein Gesetz zur Justizreform unterschrieben, das drakonische Mindeststrafen eindämmt. Ein gutes Beispiel für Fortschritt ist New York. Der Bundesstaat wird komplett von den Demokraten beherrscht, aber erst seit 2018 mit größerem Einfluss von Progressiven. Letzte Woche wurden mehrere Gesetze verabschiedet, die zuvor von Konservativen blockiert worden waren: Polizisten werden nun Würgegriffe und das Racial Profiling verboten. Sie müssen Körperkameras tragen und ihre Disziplinarakten werden transparent an andere Behörden im Land weitergeleitet.

Bisher konnten gewalttätige Beamte nach Entlassungen im nächsten Bundesstaat neu anfangen.

Richtig. Die Demokraten im Repräsentantenhaus wollen jetzt auch eine nationale Datenbank einführen, die das verhindert.

Die US-Linken haben bei Lokalwahlen oft eine sehr schlechte Wahlbeteiligung vorzuweisen. Ändert sich das nun?

Aktivistenorganisation fingen vor ein paar Jahren an, eigene Kandidaten auf lokaler Ebene aufzustellen. In Pennsylvania und New Mexico haben Anfang Juni progressive Demokraten langjährige Konservative bezwungen. Die Linke professionalisiert sich. Sie organisiert nicht mehr nur Demonstrationen, sondern auch Wahlkampagnen.

Joe Biden reißt niemanden vom Hocker. Wenn der Enthusiasmus nicht über den Kandidaten kommt, dann vielleicht über die Proteste?

Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass nach den Riots in Los Angeles in den 90er Jahren der Stimmenanteil der Demokraten wuchs. 2017 nach den Womens’ Marches wurde eine Rekordanzahl von Frauen ins Repräsentantenhaus gewählt. Protest kann Leute also motivieren, wählen zu gehen.

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