Immobilienriese im Shoppingwahn

Mieter schließen sich zusammen gegen den Verkauf ihrer Häuser an die Deutsche Wohnen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Altbau, begehrte Lage, warum nicht? Das wird sich wahrscheinlich auch die Deutsche Wohnen gedacht haben. Am 5. Juni ist bekannt geworden, dass das Immobilienunternehmen 21 Häuser in Berlin gekauft hat. Elf davon in Kreuzberger Milieuschutzgebieten. Die Mieter sind davon wenig begeistert und organisierten sich am Sonntag bei einer Versammlung auf dem Mariannenplatz.

Insgesamt 90 Millionen Euro hat sich die Deutsche Wohnen ihre jüngste Shoppingtour auf dem Berliner Markt kosten lassen. Das will auch wieder reingeholt werden. »Die Deutsche Wohnen ist kreativ darin, ihren Gewinn zu erhöhen, indem sie zum Beispiel die Häuser nicht mehr instand hält«, sagt Lorena, die ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ihr Haus in der Sorauer Straße gehört zu den Altbauten, die der Immobilienriese kürzlich kaufte. Dass das Haus in Eigentumswohnungen umgewandelt werden könnte, ist eine große Sorge, die ihre Hausgemeinschaft umtreibt.

Zu Recht, sagt Susanna Raab. »Mit dem Kauf von Altbaubestand in begehrten Lagen, hat sich die Deutsche Wohnen eine Exit-Option geschaffen.« Raab ist Sprecherin der Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen«, die auch zu der Mieterversammlung eingeladen hat. »Altbauten bieten die Möglichkeit, diese gegebenenfalls in Eigentumswohnungen aufzuteilen und schnell zu verkaufen, falls der Mietendeckel in Kraft bleibt und wir mit unserem Volksbegehren Erfolg haben.«

Mit dieser Befürchtung stehen die Mieter der Deutschen Wohnen nicht allein. Auch in Wedding an der Ecke Osloer Straße und Koloniestraße, wo drei Häuser im Paket mit zahlreichen anderen von der Skjerven Gruppe angekauft wurden, haben die Mieter Furcht vor einer Umwandlung. Geschäftsführer Einar Skjerven bestätigt zwar gegenüber »nd«: »Eine Aufteilung der Häuser in Eigentumswohnungen und umfassende Modernisierungen sind nicht vorgesehen.« Doch mit Versprechungen wollen sich die Mieter nicht zufrieden geben - die von Skjerven in Wedding ebenso wenig wie die der Deutschen Wohnen in Kreuzberg.

Lorena aus der Sorauer Straße hofft darauf, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausübt. Mit diesem würde ein Dritter, etwa eine Genossenschaft oder eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, ihr Haus kaufen. Allerdings fehlen den Landeseigenen durch den Mietendeckel bereits einkalkulierte Einnahmen, so der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), zu »nd«. Auch die Corona-Mehrausgaben machen es fraglich, inwieweit das Land einen Vorkauf bezuschussen kann. Gothe sagt: »Bei der Deutsche Wohnen koordinieren die Bezirke sich untereinander. Wir müssen sehen, ob wir gemeinsam mit dem Senat etwas herausverhandeln können - und wenn es eine Abwendungsvereinbarung für alle gibt.« Mit einer Abwendungsvereinbarung würde sich die Deutsche Wohnen zu sozialen Erhaltungskriterien verpflichten. Mittes Baustadtrat berichtet von einem anderen Fall, bei dem die Deutsche Wohnen zwar bereit war, sich an diese Kriterien zu halten. »Sie wollte Mieterschutz aber nur für zwölf Jahre zusichern«, so Gothe. Normalerweise liegt die Frist bei mindestens 20 Jahren.

Die Befürchtung, dass soziale Kriterien dem Profitinteresse geopfert werden könnten, wird auch durch die bevorstehende Aufnahme des Immobilienunternehmens in den Deutschen Aktienindex (DAX) verstärkt. Was des einen Freud ist, könnte zum Leid der Mieter werden. Denn Investoren schauen zuerst auf den DAX, wenn sie in Deutschland investieren. Der Renditedruck könnte deshalb steigen und damit der Wille, möglichst viel Geld aus den neu erworbenen Häuser herauszuholen.

»Wir enteignen natürlich viel lieber ein DAX-Unternehmen«, sagt Susanna Raab. Am letzten Donnerstag hat die rot-rot-grüne Koalition zugesichert, bis Anfang Juli die rechtliche Prüfung des Volksbegehrens über die Enteignung von Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin abzuschließen. Sollte die Initiative Erfolg haben, braucht es in einem nächsten Schritt 170 000 Unterstützer. Zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 könnten die Berliner in einem Volksentscheid dann auch darüber abstimmen, wie Mieter ihre Sonntage verbringen - ob mit einer Kundgebung gegen Verdrängung oder mit angenehmeren Beschäftigungen.

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