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Ankara überschreitet die Grenze
Mit Bodentruppen im Nordirak will die Türkei »PKK-Terroristen neutralisieren«
Mit einer Bodenoffensive von Spezialeinheiten, unterstützt durch Kampfjets und Drohnen, läuteten die türkischen Streitkräfte in der Nacht zu Mittwoch die Operation »Tigerkralle« ein. Die laut Verteidigungsministerium in Ankara »heldenhaften« Kommandos begannen ihre Einsätze in Haftanin - die türkische Bezeichnung für die Grenzregion zum Irak. Welches Ausmaß die Operation letztendlich erreicht und ob die Truppen versuchen werden, in die weiter westlich liegenden Kandil-Berge einzudringen - ein Kerngebiet und wichtiger Rückzugsort für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) - , ist derzeit noch unklar.
Die Rechtfertigung solcher Aggressionen durch die türkische Regierung ist seit Jahren dieselbe. Auch bei der am Mittwoch begonnenen Operation gegen Stellungen der PKK behauptet man, sich zu verteidigen. »Operation Tigerkralle wird im Rahmen unseres legitimen Rechts zur Selbstverteidigung durchgeführt, das sich aus dem Völkerrecht ergibt, und das sich gegen die PKK und andere terroristische Elemente richtet, die in der nahen Vergangenheit ihre Angriffe auf unsere Polizeistationen und Militärbasen intensiviert haben«, so die offizielle Pressemitteilung aus Ankara.
Tatsächlich haben Attentate der PKK in den vergangenen Jahren überwiegend auf türkischem Boden nach offiziellen Quellen das Leben von über 1000 Sicherheitskräften und auch das Hunderter Zivilisten gekostet. Nach Angaben der Denkfabrik International Crisis Group wurden in dem Konflikt seit dem Ende des Waffenstillstands vor fünf Jahren fast 5000 Menschen getötet, darunter annähernd 3000 PKK-Kämpfer. Zivilisten seien vor allem bei Gefechten zwischen den beiden Seiten in der Südosttürkei oder bei Bombenanschlägen der PKK getötet worden. Auch die PKK legitimiert ihre Aktionen mit dem Recht zur Selbstverteidigung, sieht sie als Teil ihres Befreiungskampfes. Einer demokratischen Autonomie der Kurden steht aus ihrer Sicht vor allem der faschistische türkische Staat im Wege, der den mehrheitlich kurdischen Südosten des Landes politisch wie auch militärisch brutal unterdrücke.
Bereits am Montagmorgen hatte die türkische Luftwaffe über 80 Angriffe im Nordirak geflogen. Dazu soll auch iranische Artillerie kurdische Stellungen im Nachbarland beschossen haben. Dieser »Adlerkralle« genannte Einsatz richtete sich unter anderem gegen Ziele in den Kandil-Bergen und in Sindschar. Allerdings fielen türkische Bomben auch in die Nähe des unter dem Schutz des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR stehenden Flüchtlingslagers Makhmur, wo derzeit über 12 000 Menschen leben. Iraks Armeeführung hatte die Angriffe als »provokatives Verhalten« verurteilt; die irakische Regierung in Bagdad hatte am Dienstag den türkischen Botschafter einbestellt, um gegen die Luftangriffe zu protestieren.
Doch die Lage ist nicht so eindeutig. Bei einem Besuch in Bagdad in der vergangenen Woche soll der türkische Geheimdienst MIT bereits über die anstehende Operation informiert haben. Ankara ist zudem mit der KDP, der in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak mächtigsten Partei, verbündet: Mit ihrer Erlaubnis betreibt die Türkei dort mindestens zehn Militärbasen. Entsprechend war aus KDP-Kreisen auch zunächst keine Stellungnahme zu den türkischen Operationen zu vernehmen.
Angriffe auf die PKK mit Bodentruppen oder aus der Luft sind keine Seltenheit. Neu ist, dass die türkische Regierung eine Operation am Boden nicht nur einräumt, sondern groß verkündet.
Auf einer Online-Pressekonferenz des kurdischen Zentrums Civak Azad am Dienstag sagte Awaz Ismael, Ko-Vorsitzende der Gemeinde Kandil: »Wir erleben seit 20 Jahren solche Angriffe. Genauso erleben wir seit 20 Jahren das Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu diesen Verbrechen.« Die PKK ist in Deutschland wie in der Türkei und den USA als Terrororganisation verboten. Doch das lässt Ismael als Rechtfertigung nicht gelten. Denn die türkischen Bomben zielten vor allem auf die Zivilisten in der Region. Und sie betont: »Der kurdische Wille ist ungebrochen.«
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