- Politik
- Bundeswehr
Milliarden fürs Militär
Noch kurz vor den Ferien winkte der Bundestag Dutzende Bundeswehr-Bestellungen durch
Die Bundesregierung häuft in diesem Jahr so viele Schulden an wie noch nie. So beträgt die Nettokreditaufnahme aktuell 218,5 Milliarden Euro, das Haushaltsdefizit liegt bei 7,25 Prozent. Angesichts dessen ist es höchst zweifelhaft, ob das ohnehin lückenhafte soziale Netz weiter tragen wird. Laut Creditreform-Schuldneratlas kann bereits jetzt jeder Zehnte in Deutschland seine Rechnungen nicht mehr zahlen. Mit ihrem Konjunkturpaket will die Große Koalition ein Fundament für nachhaltige wirtschaftliche Erholung nach dem coronabedingten Einbruch legen. Umso mehr stellt sich die Frage, warum der Rüstungsetat unangetastet bleibt.
Trotz vieler Klagen über eine angebliche Mangelwirtschaft, die auch Ende vergangener Woche im Bericht der Wehrbeauftragten erhoben wurden, geht es der Bundeswehr im Vergleich zu vorangegangenen Jahren nicht so schlecht. Schaut man sich den aktuellen Bericht über die materielle Einsatzbereitschaft aller 68 Hauptwaffensysteme an, so hat diese »in den vergangenen sechs Monaten leicht zugenommen und liegt bei knapp über 70 Prozent«. Damit sich der Trend fortsetzt, werden ohne Abstriche am Plan Waffensysteme und Geräte bestellt oder modernisiert. Vor der Sommerpause des Parlaments wurden im Juni noch zahlreiche Projekte durch die Ausschüsse gebracht. Allein in der vergangenen Woche wurden neun Rüstungsprojekte auf die Tagesordnung des Haushaltsausschusses des Bundestages gesetzt.
Bestätigt wurden unter anderem Mittel für vier neue Mehrzweckkampfschiffe. Der Vertrag hat ein Volumen von rund 5,48 Milliarden Euro. Für Bewaffnung und Trainingssysteme gibt es weitere Verträge, so dass man bei (aktuellen) Kosten von knapp sechs Milliarden Euro landet. Gesichert hat man sich die Option auf zwei weitere Schiffe dieses Typs. Ein kräftiger Nachschlag aus dem Bundeshaushalt wird auch für die im Bau befindlichen fünf Korvetten des zweiten Loses nötig, sagt das Verteidigungsministerium und beantragte eine »überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung« in Höhe von 73,3 Millionen Euro. Die werden in den Jahren 2021 bis 2026 fällig. Zur Inbetriebnahme der Schiffe sei das Geld zwingend erforderlich. Bekomme man die Gelder nicht, so wird gedroht, könne man die gegenüber der Nato eingegangenen Verpflichtungen insbesondere bei der Aufstellung der Very High Readiness Joint Task Force 2023 (VJTF), mit der man vor allem Russland schrecken will, nicht erfüllen.
Verrechnet hat man sich auch bei der Modernisierung der in den Niederlanden gebraucht gekauften Seefernaufklärer P-3C Orion. Die Rede ist von »inakzeptablen Unwägbarkeiten«. Nun hat das Verteidigungsministerium die seit 2015 laufenden Arbeiten gestoppt. Bis zur Entwicklung eines neuen Systems 2035, so heißt es, soll ein anderes Flugzeug als Übergangslösung gesucht werden.
Auch die Luftwaffe brachte im Juni eine Reihe von Projekten durch. »Zur Verbesserung der Lufttransportkapazität der Flugbereitschaft BMVg im Segment zwischen dem Großraumtransportflugzeug A400M und dem bereits im Zulauf befindlichen und ab 2021 verfügbaren neuen Luftfahrzeug A330 MRTT« beschafft man kurzfristig zwei fabrikneue Airbus-Maschinen vom Typ A321 LR. Veranschlagt werden rund 300 Millionen Euro. Beschlossen wurde auch die Umrüstung von 170 Patriot-Bestandslenkflugkörper, mit denen feindliche Raketen, Marschflugkörper sowie Luftfahrzeuge abgewehrt werden sollen. Auch das sei notwendig zur »Grundbefähigung für den deutschen Beitrag zur VJTF 2023«. Der Finanzbedarf liegt laut Ministerium bei gut 213 Millionen Euro.
Neben der Luftwaffe freut sich insbesondere der Bundeswehr-Cyber-Bereich über die Bewilligung von Mitteln, mit denen beim Hersteller Bombardier drei Maschinen vom Typ Global 6000 reserviert werden können. Die kleinen Jets kosten - nach bisherigen Planungen - 158 Millionen Euro. Das pikante daran: Bombardier stellt die Produktion dieses Typs noch in diesem Jahr ein, doch mit Hilfe der Lufthansa konnte sich die Bundeswehr noch ein paar Maschinen von der Resterampe sichern. Sie sollen als fliegende Plattform für das geheime PEGASUS-Projekt dienen. Das brauche man, um eine bestehende »Fähigkeitslücke im Bereich der Signalerfassenden Luftgestützten Weiträumigen Überwachung und Aufklärung (SLWÜA)« zu schließen, heißt es. Was so weitschweifend beschrieben wird, ist die nunmehr bemannte Fortsetzung des 2011 endgültig gescheiterten EuroHawk-Drohnen-Debakels, bei dem Hunderte Millionen Euro verschwendet wurden. Der Neustart kommt insbesondere der Hensold Sensors GmbH in Ulm, die sich um die Ausstattung der Jets mit High-Tech-Spionagegeräten kümmert, zugute.
Nicht alle Projekte sind so unübersehbar wie Schiffe, Flugzeuge oder Panzer. Beispiel: 405 sogenannte Fahrersichtsysteme für den »Boxer«. Kostenpunkt: 68,5 Millionen Euro. Doch diese Investition ist möglicherweise tatsächlich ein Zuwachs in Sachen Sicherheit, denn bislang dürfen die hochgelobten, von Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann gefertigten Transportpanzer nur dank einer Ausnahmegenehmigung am Straßenverkehr teilnehmen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.