Beratung auf Sparflamme

Die Debatte um die Unabhängige Patientenberatung kreist erneut um deren privatwirtschaftliche Trägerschaft

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch die Unabhängige Patientenberatung (UPD) ist von Einschränkungen im Zuge der Coronakrise betroffen. Die 30 Beratungsstellen vor Ort und die drei mobilen Einrichtungen stehen zur Zeit nicht für direkte Gespräche zur Verfügung. Die UPD ist also in der Beratung auf die Wege zurückgeworfen, die für den neuen Träger ab 2016 gut als Kerngeschäft gelten können: Online, per App oder Telefon, außerdem per Fax oder Brief. Das meiste davon wird in Callcentern erledigt. Jedoch scheint inzwischen eingetreten, wovor Politiker und frühere Träger warnten: Die UPD in der heutigen Form, mit dem Träger Sanvartis aus der Gesundheitswirtschaft, hat an Vertrauen und Bekanntheit verloren.

Einige Fakten dazu offenbarte jetzt ein Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Bundestages. So sei mit 3,3 Millionen Euro rund ein Drittel der gesamten Fördersumme (die aus Krankenkassenbeiträgen der gesetzlich Versicherten stammt) von der UPD an die Muttergesellschaft Sanvartis geflossen - für IT-Leistungen, medizinische Texte, Rechtsberatung und Öffentlichkeitsarbeit. Unter dem Strich gibt es Zweifel an der angemessenen Verwendung der rund 9,65 Millionen Euro, die der UPD 2019 zur Verfügung standen. Ausgehend von 5,2 Millionen im Jahr 2016 war mit steigenden Zuwendungen die Erwartung ebenso wachsender Beratungszahlen verbunden. In seinem Angebot bei der Neuausschreibung hatte Sanvartis, eigentlich ein Dienstleister der Krankenkassen, ein Ziel von 222 5000 Telefonberatungen pro Jahr genannt. 2018 wurden 128 000 dieser Gespräche geführt.

Laut »Ärzte Zeitung«, deren Redaktion der Bericht vorliegt, rügte der Rechnungshof außerdem, dass der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), mit dem Träger keine Anreize vereinbart habe, um die Beratungszahlen zu steigern. Die Schlussfolgerung und Empfehlung der Rechnungsprüfer lautet, die Fördermittel nun nicht mehr unabhängig von der Erfüllung früherer Leistungsversprechen zu zahlen.

Wieder aufgeflammt war die Debatte um das aktuelle Modell der Patientenberatung anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages in der vergangenen Woche. Dort meldeten sich unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft der Patient/inn/enstellen zu Wort. Der Verbund sieht ein zu positives Bild der UPD in der heutigen Trägerschaft. Die mit der Privatisierung verbundene Gewinnabschöpfung habe zu einem massiven Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit geführt. Auch der Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP), früher Kooperationspartner der UPD, zieht ein kritisches Fazit der letzten fast vier Jahre. 2015 fanden noch 14 Prozent aller Beratungen im direkten, persönlichen Kontakt statt. 2019 war das nur noch bei 3,3 Prozent der Fall.

Nicht sonderlich überraschend in der Geschichte der privatwirtschaftlichen Trägerschaft war dann im Jahr 2018 der Verkauf von Sanvartis samt UPD an die Careforce Sanvartis Holding. Dieser Konzern sucht ansonsten nach Personal für Gesundheitsfirmen, zum Beispiel im Auftrag von Pharmaunternehmen. Für Kritiker war das nur noch einmal eine Bestätigung dafür, dass in einem solchen Modell Versichertengelder von Investoren abgesaugt würden, aber nicht dem eigentlichen Zweck, der unabhängigen Beratung von Patientinnen und Patienten, zu gute kommen.

Wie kann es nun weitergehen? Der Bundesrechnungshof kann sich für künftige Vergaberunden die Anbindung der UPD an bestehende Einrichtungen wie etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vorstellen oder auch die Errichtung einer Stiftung. Mit einem gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen sollte Patientenberatung nichts mehr zu tun haben.

Letzeres kann auch Harald Weinberg, Gesundheitspolitiker der Linken und Bundestagsabgeordneter, unterschreiben. Er fordert eine auch von den Krankenkassen unabhängige Beratungsstruktur sowie eine Finanzierung aus Steuermitteln. Weinberg votiert für ein neues Trägermodell, in dem maßgebliche Patientenorganisationen entscheiden. Es sollte keine turnusmäßigen Neuausschreibungen mehr geben. Dabei gingen Strukturen und Beratungskompetenzen verloren. Zum Handeln aufgefordert ist die Bundesregierung, denn 2021 würde der GKV-Spitzenverband ansonsten eine neue Ausschreibung für die nächsten sieben Jahre einleiten.

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