- Politik
- Gewalt gegen die Polizei
BKA-Bericht: Keine klare Tendenz bei Gewalt gegen Polizei
Weil neue Straftatbestände geschaffen wurden, sind Zahlen nicht mit Vorjahren vergleichbar
Er sei »fassungslos über die unglaublichen Geschehnisse«, sagte Stuttgarts Polizeipräsident Franz Lutz: So etwas habe er in seinen 46 Dienstjahren noch nicht erlebt. Auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und zahlreiche weitere Politiker*innen zeigten sich angesichts der Ausschreitungen in der vergangenen Samstagnacht schockiert. Ihre Befürchtung: Die Gewalt gegenüber Polizist*innen nehme immer weiter zu. Dabei wird oft auf Zahlen des Bundeskriminalamt (BKA) verwiesen. Doch dessen Bericht zeigt keine klare Tendenz.
Das Bundeskriminalamt (BKA) erstellt jährlich ein Lagebild zu Gewalt gegen Polizist*innen. In dem Anfang Juni veröffentlichten Bericht führt das BKA für 2019 insgesamt 38.635 Straftaten auf, bei denen Polizeivollzugsbeamte als Opfer erfasst wurden. Im vorherigen Jahr waren es 38.122.
Zahlen sind nicht mit den Vorjahren vergleichbar
Die meisten Fälle sind dabei als »Widerstand gegen und tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte« erfasst: nämlich insgesamt 36.126. Das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr, bei einer nahezu unveränderten Aufklärungsquote von 98 Prozent. Die Zahlen liegen laut BKA über dem Durchschnittswert der vergangenen 15 Jahre. Allerdings, so das BKA, werden die Daten »erheblich« beeinflusst, weil bisherige Straftatbestände geändert wurden: So wurde 2018 der neue Straftatbestand des »tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen« geschaffen. Die Zahlen seien somit nicht mehr mit den Vorjahren vergleichbar, erklärt das BKA in dem Bericht.
Von den 36.126 Fällen des »tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen« fallen 14.919 unter »tätlicher Angriff«, 21.207 unter »Widerstand« und 1860 unter »Landfriedensbruch«.
Tätlicher Angriff
Als tätlicher Angriff wird in der Statistik jede auf den Körper zielende Einwirkung gezählt – ohne Rücksicht auf ihren Erfolg. Also etwa auch ein »Flaschenwurf, der den Polizisten verfehlt«, erklärt das BKA in dem Bericht. »Zu einer körperlichen Verletzung muss es nicht kommen.« Im vergangenen Jahr kam es zu 14.919 tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte. 2018 waren es noch 11.704 Fälle. Als Tatverdächtige bei einem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte wurden 13.906 Personen erfasst. Knapp 11.500 davon männlich, fast 60 Prozent standen unter Alkoholeinfluss.
Widerstand
Die Fälle von »Widerstand« sind laut BKA rückläufig. 2010 waren noch 22.400 Fälle registriert worden, im vergangenen Jahr 21.207. Auch rückläufig ist die Zahl der Tatverdächtigen, die 2009 bei 25.353 lag, während es im vergangenen Jahr 20.127 Personen waren. Die meisten davon sind Männer, mehr als die Hälfte war laut BKA alkoholisiert.
Landfriedensbruch
Auch die Fälle von Landfriedensbruch liegen laut BKA seit Jahren kontinuierlich relativ niedrig. Sie waren von 2009 mit mehr als 2500 Fällen bis 2017 auf 1319 Fälle zurückgegangen, stiegen 2018 und 2019 aber wieder leicht - wegen der Verfahren nach dem G20-Gipfel und der Proteste im Hambacher Forst. Auch die Zahl der Tatverdächtigen ging merklich zurück: Waren es 2009 fast 5000 Verdächtige, waren es 2019 noch 3300.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.