Vom Hof auf den Teller
Bundesregierung möchte die Verhandlungen über die künftige EU-Agrarpolitik schnell abschließen - intern gibt es aber Streit
Die Verhandlungen über den größten Topf im EU-Haushalt stecken fest. Dabei endet die aktuelle siebenjährige Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Ende dieses Jahres - eigentlich. Zuletzt hatten die EU-Umweltminister*innen die Verhandlungen mit dem Agrarausschuss des Europaparlaments abgebrochen, die Vorlagen gehen daher nun ins Plenum. Vor der Sommerpause wird dort aber nicht mehr darüber abgestimmt. Nun könnte es zu einer ein- oder zweijährigen Übergangzeit kommen, in der die bisherigen Regelungen weiterlaufen sollen.
Was war geschehen, dass die neue GAP vorerst auf auf Eis gelegt wird? Zunächst verschwand der ursprüngliche Reformentwurf des ehemaligen EU-Agrarkommissars Phil Hogan aus dem Jahr 2018 mehr oder weniger in der Versenkung: zu wenig ambitioniert, zu viel »Weiter so« lautete die Kritik. Sein Nachfolger Janusz Wojciechowski kam ohne neue Vorschläge ins Amt. Stattdessen stellte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Rahmen ihres »Green Deals« im Mai dieses Jahres ein Strategiepapier mit dem Titel »Farm to Fork« (Vom Hof auf den Teller) vor. Darin werden schärfere Umweltauflagen in der Landwirtschaft gefordert. Konkrete Ziele bis 2030: Der Einsatz von Unkrautvernichtern sowie von Antibiotika in der Tierhaltung sollen um 50 Prozent reduziert werden. Der Flächenanteil der ökologischen Landwirtschaft soll EU-weit von jetzt rund 8 auf 25 Prozent steigen.
Der Haushalt für die GAP bis 2027 orientiere sich an den drei Hauptzielen Nachhaltigkeit, ökologischer Landbau und Digitalisierung der europäischen Landwirtschaft, teilte Wojciechowski Anfang Juni auf einer Pressekonferenz in Brüssel mit. Bei dieser Gelegenheit forderte er dafür im mehrjährigen Finanzrahmen mehr Geld. Um die Landwirt*innen und die ländlichen Gebiete bei der Umsetzung der »Farm-to-Fork«-Strategie zu unterstützen, sollten die Fonds für Ländliche Entwicklung um 16,5 Milliarden Euro aufgestockt werden. Zugleich hält Brüssel am ursprünglichen Vorschlag aus dem Jahr 2018 fest, den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, bis zu 15 Prozent ihrer GAP-Mittel zwischen Direktzahlungen und ländlicher Entwicklung umzuschichten.
Die Debatte wird während der deutschen Ratspräsidentschaft weitergeführt. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) strebt »einen raschen Abschluss« der Verhandlungen über die GAP und über den Mehrjährigen Finanzrahmen an. Ob ausgerechnet Deutschland bei der Lösung hilfreich ist, muss sich erst noch zeigen. Denn auch hierzulande überwiegen die Kontroversen. So gehen die Meinungen über die Zukunft der Landwirtschaft zwischen der Agrarministerin und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) weit auseinander. Letztere stellt Klimawandel und die damit verbundenen Wetterextreme sowie das Artensterben durch Pestizideinsatz in den Vordergrund und bescheinigt den Landwirten »ein Interesse daran, dass auch die Generation nach ihnen noch eine Fläche haben, auf der sie wirtschaften können«. Klöckner dagegen argumentiert mit der Rentabilität der Betriebe: »Wenn sich das Wirtschaften nicht mehr rechnet, werden Landwirte aufhören oder Junglandwirte erst gar nicht anfangen. Das kann auch nicht im Interesse von denen sein, die ein Fantasialand im Kopf haben, in dem der Fokus allein auf der Umwelt liegt und ausgeblendet wird, dass wir alle jeden Tag essen müssen«, sagte sie kürzlich im Interview mit der Presseagentur Agra-Europe.
Auch unter den Bundesländern gibt es Streit. Bisher haben sich die Beteiligten lediglich auf die Verteilung der EU-Fördermilliarden bis 2022 geeinigt. Das bedeute jedoch keine Vorfestlegung für die künftige Förderperiode von 2023 an, hieß es in der vergangenen Woche auf der Agrarministerkonferenz. »Die eigentlichen harten Verteilungskämpfe und Verhandlungen stehen noch für die Jahre nach 2022 bevor«, erklärte der Vorsitzende der Ministerrunde, der saarländische Ressortchef Reinhold Jost (SPD), im Anschluss an das Treffen.
Die Bauernverbände hoffen derweil auf eine rasche Einigung, wenn auch mit unterschiedlichem Ziel. Das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes fordert, die »Farm-to-Fork«-Strategie an die Lehren aus der Coronakrise anzupassen und der Ernährungssicherheit eine höhere Priorität zu geben. Damit bleibt der Verband dabei, Direktzahlungen als Einkommenszuschuss an die Fläche zu binden. Auch eine Obergrenze lehnt der Bauernverband, der vor allem die Interessen der Großbetriebe vertritt, weiterhin ab.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft mahnt hingegen, ein Instrument des vor fast zwei Jahren vorgelegten GAP-Vorschlages nicht zu vergessen: Die sogenannten Eco-Schemes (Öko-Regelungen) sehen vor, konkrete ökologische Leistungen mit direkten Zahlungen zu honorieren.
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