Supermarktfirmen unter Druck

Franziska Humbert (Oxfam) über Menschenrechtsverstöße in den Lieferketten

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit 2018 führt Oxfam einmal jährlich einen Supermarktcheck durch. Zeigt er inzwischen Wirkung?

Ja, er zeigt Wirkung. Die Ergebnisse in diesem Jahr belegen ganz klar, dass Supermärkte Menschenrechte achten können - nur wollen sie nicht immer. Bestes Beispiel ist der Discounter Lidl, der 2019 gerade 9 von 100 zu vergebenden Punkten erreichte und in diesem Jahr auf 32 Punkte kommt. Ein enormer Sprung, der zeigt, dass Veränderung möglich ist, wenn der Wille da ist. Gegenbeispiel ist das Unternehmen Edeka, das am Ende unseres Rankings liegt.

Franziska Humbert

Franziska Humbert ist Juristin und Oxfam-Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte. Sie arbeitet seit rund 15 Jahren für den deutschen Zweig der Entwicklungsorganisation. Der internationale Verbund verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen setzt sich für nachhaltige Existenzgrundlagen für Menschen in armen Ländern ein. Mit Humbert sprach Knut Henkel.

Foto: Oxfam

Worauf führen Sie den Wandel bei Lidl zurück? Der Discounter war immer wieder Ziel von Kampagnen.

Dafür gibt es sicherlich mehrere Ursachen. Kampagnen von Oxfam und anderen NGOs sind nur ein Grund. Dazu gehört aber auch, dass Lidl und Konkurrent Aldi, der ebenfalls Fortschritte gemacht hat, den britischen Markt im Visier haben. Dort gibt es den UK Modern Slavery Act. Das Gesetz schreibt den Unternehmen vor, dass sie über Vorkommnisse und Maßnahmen zu modernen Formen von Sklaverei in ihren Lieferketten berichten müssen. Das hat dazu beigetragen, dass sich die Firmen bewegt haben.

Warum rangiert Edeka so weit hinten im Ranking?

Wir sind mit Edeka im Gespräch, und es ist nicht so, dass gar nichts passiert. Das Thema Nachhaltigkeit ist auch dort nicht mehr in der PR-Abteilung angesiedelt, aber das Unternehmen hat genau wie Rewe eine genossenschaftliche Struktur, was dazu beitragen kann, dass Entscheidungen länger brauchen als bei Aldi und Lidl. Zudem hat sich Edeka mit seiner Marktabdeckung von rund 33 Prozent in dieser komfortablen Position ausgeruht. Immerhin haben sie durch die Partnerschaft mit der Umweltorganisation WWF im Bereich Umwelt etwas vorzuweisen.

Nach welchen Kriterien bewerten Sie die Supermärkte?

Wir beziehen uns auf die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitsätze für Unternehmen. Dort steht klar drin, was Unternehmen tun können, um die Menschenrechte in ihrer Lieferkette zu gewährleisten. Darauf basierend haben wir 93 Kriterien entwickelt, was Unternehmen tun müssen, um die Menschenrechte einzuhalten, etwa bei den Arbeitnehmerrechten, der Transparenz, im Umgang mit Kleinbauern sowie bei Frauenrechten.

Beim Thema Transparenz hat Lidl Fortschritte gemacht.

Ja, Lidl hat als erster deutscher Supermarkt die Lieferkette transparenter gemacht. Das ist positiv und ein wichtiger Punkt im Kontext der Verteidigung von Gewerkschafts- und Arbeitsrechten, die in Lateinamerika und nicht nur dort immer wieder unterlaufen werden, etwa im Plantagenanbau von Bananen und Ananas. Aber auch bei den Frauenrechten hat Lidl mit der Unterzeichnung der internationalen Grundsätze zur Stärkung der Frauen im Unternehmen ein Signal gesetzt.

Bisher beruhen die Konventionen auf Freiwilligkeit. Reicht das?

Nein, definitiv nicht. Freiwilligkeit allein reicht nicht aus, das ist ein Ergebnis unseres Checks. Die Unternehmen können sich wandeln, aber ohne Druck geht es nicht. Und deshalb brauchen wir gesetzliche Grundlagen; dazu gehören Sanktionen. Daher engagieren wir uns für ein Lieferkettengesetz, dessen Eckpunkte mittlerweile auch vorliegen. Ein derartiges Gesetz würde auch Schlusslichter wie Edeka mitnehmen, denn dann wären die Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte in ihrer Lieferkette einzuhalten, und Verstöße hätten Folgen.

Was halten Sie von der Gesetzesvorlage?

Die begrüßen wir im Kern. Viele Punkte des Rechtsgutachtens der Initiative Lieferkettengesetz, der auch Oxfam angehört, sind darin enthalten. So auch die zivilrechtlichen Klagemöglichkeiten für Betroffene - das sind Fortschritte. Gleiches gilt für die Berichtspflicht der Unternehmen und die Bußgelder, die vorgesehen sind. Allerdings sehen wir auch noch Nachbesserungsbedarf - die Verhandlungen laufen.

Was ist die Quintessenz Ihres Supermarktchecks?

Wandel ist möglich, es braucht aber auch viel Druck, um diesen auf den Weg zu bringen. Ein Lieferkettengesetz würde den Prozess beschleunigen. Deshalb engagieren wir uns für die Implementierung des Gesetzes und stehen parallel dazu mit den Supermarktketten im kritischen Dialog.

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