Volkseigentum als Beute

Mit der Einführung der D-Mark wurde der Systemwechsel im Osten eingeleitet, meint Christa Luft

  • Christa Luft
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 7. Februar 1990 bot Bundeskanzler Kohl der DDR via Medien und ohne Konsultation der Bundesbank die D-Mark als offizielles Zahlungsmittel an. Barmherzigkeit gegenüber sich nach harter Währung sehnenden Ostdeutschen war das nicht, es war Kalkül. Stoppen wollte er die nach der Maueröffnung anhaltende Übersiedlung ostdeutscher Frauen und Männer. Deren Grundgesetzanspruch auf Wohnung, Arbeit und finanziellen Anschub ließ in der westdeutschen Bevölkerung Verlustängste brodeln.

Kohl kämpfte um sein politisches Überleben. Geschickt bediente er sich der Losung »Unser Boot ist voll«, die bei seinen Landsleuten für Aufatmen sorgte. Und den Ostdeutschen, die zu Hause bleiben sollten, versprach er mit der D-Mark zugleich blühende Landschaften. Viele glaubten, das am DDR-Alltag Geschätzte würde erhalten bleiben, die begehrte Währung käme dazu. Doch aus der Geschichte ist bekannt: »Wer das Geld gibt, hat das Sagen.«

Kohl ging es um mehr als um neues Geld für den Osten. Die Übertragung der D-Mark auf die DDR war der erste und wichtigste Schritt zur Vereinigung beider deutscher Staaten. Und das auf der Grundlage der bundesdeutschen wirtschafts- und sozialpolitischen Ordnung einschließlich dessen, was daran rückständig und veraltet war. Er witterte die Chance, mit dem Währungsköder das jahrzehntelang bekämpfte System östlich der Elbe endgültig zu beseitigen. Daher galten Währungsunion und Privatisierung des Volkseigentums als Junktim.

Im Ohr ist mir die Rede von Finanzminister Theo Waigel in einer Bundestagsplenartagung in Bonn im Mai 1990. Wie die anderen Mitglieder des Volkskammerausschusses Deutsche Einheit saß ich als Gast auf der Tribüne. An die Fernsehzuschauer im Osten gewandt, machte der Kohl-Intimus klar: Wir geben euch das Beste, was wir haben, die harte Deutsche Mark und die soziale Marktwirtschaft. Das kostet uns was, Kredite sind aufzunehmen. Dafür braucht es ein Pfand: Das ist das zu privatisierende Volkseigentum.

Dementsprechend wurde im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 dekretiert, auch im Beitrittsgebiet eine von »Privateigentum, Leistungswettbewerb, freier Preisbildung und grundsätzlich voller Freizügigkeit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen bestimmte Ordnung« einzuführen. Diesem Duktus entsprach das mit Bonner Hilfe vorbereitete und am 17. Juni 1990 von der Volkskammer beschlossene Treuhandgesetz der De-Maizière-Regierung. Die vom Modrow-Kabinett gegründete Treuhandanstalt zur Bewahrung des Volkseigentums im Interesse der Allgemeinheit wurde in eine Privatisierungsagentur umfunktioniert.

Dieser Crashkurs stieß selbst bei prominenten westdeutschen Ökonomen und Vertretern der Wirtschaft auf Kritik. Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl warb vergeblich für eine Währungsunion als Krönung des Zusammenkommens beider deutscher Staaten in einem stufenweisen Prozess. Hans-Werner Sinn, damals Chef des Münchener IFO-Instituts, warnte vor einem tödlichen Aufwertungsschock für die ostdeutschen Kombinate und Betriebe durch falsche Kursfestsetzung zwischen DDR-Mark und D-Mark und plädierte für Anpassungsfristen. Die Treuhandprivatisierung bezeichnete er als Ramsch-Aktion. Zukunftsfähige Strukturen ließen sich so nicht entwickeln.

Das ökonomisch Vernünftige galt aber nicht, es war die Zeit der Westpolitiker. Walter Romberg, Finanzminister in der De-Maizière-Regierung und Leiter der DDR-Delegation in der bilateralen Kommission zur Vorbereitung der Währungsunion, vermerkte mit Bitterkeit, die ostdeutschen Experten hätten mit ihren Analysen, Einwänden und Vorschlägen kein Gehör gefunden. Sie wurden abgebügelt mit dem Verweis auf das sogenannte Schürer-Papier, in dem von teilweise nicht wettbewerbsfähiger Wirtschaft und - panisch - von prekärer Devisenlage des Staates die Rede war.

Für den Zugang zu ersehnten Annehmlichkeiten, den die harte Mark zweifelsohne ermöglichte, zahlten viele Ostdeutsche einen hohen Preis: Arbeitslosigkeit, Entwertung von Biografien, Enteignung vom Volkseigentum. Und ein Leben in einer Marktgesellschaft, in der auch Güter der Daseinsvorsorge kommerzialisiert wurden.

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