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Stegner spekuliert über mögliche Haftstrafe für Unternehmer Tönnies
SPD-Politiker: »So jemand braucht nicht staatliche Hilfe durch Steuergelder, der sollte zur Verantwortung gezogen werden.«
Berlin. In der Debatte über die Arbeitsbedingungen bei dem nordrhein-westfälischen Schlachtbetrieb Tönnies hat der SPD-Politiker Ralf Stegner über eine Haftstrafe für den Unternehmer Clemens Tönnies spekuliert. »Da findet richtige Ausbeutung statt. Er hat eine Menge damit zu tun, dass wir da einen Corona-Hotspot hatten«, sagte Stegner am Sonntagabend bei »Bild live«. Er fügte hizu: »So jemand braucht nicht staatliche Hilfe durch Steuergelder, der sollte zur Verantwortung gezogen werden. Vielleicht kommt er irgendwann in staatliche Kost und Logis.« Bei Tönnies würden Gesetze missachtet. Dem müsse mit aller Konsequenz nachgegangen werden.
Mit Blick auf den Antrag des Unternehmens auf Erstattung von Lohnkosten durch das Land Nordrhein-Westfalen in der Coronakrise sagte der schleswig-holsteinische SPD-Fraktionschef im Politik-Talk »Die richtigen Fragen«, es sei »unverschämt, dafür die Steuerzahler heranzuziehen.«
Der Schlachtbetrieb Tönnies und weitere Subunternehmer hatten Ende vergangener Woche beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe Anträge auf Erstattung von Lohnkosten durch das Land Nordrhein-Westfalen gestellt. Hintergrund sind die Quarantäne-Maßnahmen, die nach dem massiven Corona-Ausbruch unter Tönnies-Arbeitern am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück verhängt wurden. Das Infektionsschutzgesetz sieht nach Angaben der Behörden eine Erstattung vor, wenn Gesundheitsämter einen Betrieb schließen und Quarantäne anordnen.
Bei Tönnies hatten sich rund 1400 Arbeiter nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Die ersten Fälle waren nach Tests Mitte Juni bekannt geworden. Vorübergehend waren deshalb zusätzliche Corona-Einschränkungen des öffentlichen Lebens für den Kreis Gütersloh und auch für den Nachbarkreis Warendorf verhängt worden. Dort wohnen ebenfalls viele Tönnies-Mitarbeiter.
Der thüringische CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring forderte Tönnies in der Sendung am Sonntag zum freiwilligen Verzicht auf Staatshilfen auf. »Das sollte nicht der Steuerzahler ausbügeln«, sagte Mohring. Ähnlich äußerte sich auch CSU-Generalsekretär Markus Blume: »Bei Tönnies ist Aufklärung notwendig, was da eigentlich passiert ist, wo geltendes Recht und Gesetz nicht eingehalten wurde. Klar ist, dass das nicht auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen werden kann.«
Weniger Fleisch produzieren?
Die Grünen fordern derweil eine Reduzierung der Schweinefleischproduktion in Deutschland. »Wir brauchen eine Systemwende, die die Fleischproduktion widerstandsfähiger und nachhaltiger gestaltet«, sagte der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). »Die Schließung des Tönnies-Schlachthofs zeigt die Verletzlichkeit eines durchgetakteten Systems, auch für die Schweinehalter.«
Die Beschäftigten müssten auch in Corona-Zeiten sicher in den Schlachtbetrieben arbeiten können, betonte Ostendorff. Das gehe »nur unter Einhaltung von Abstandsregeln von mindestens 1,5 Metern - besser von zwei Metern«, und dazu müssten die Produktionszahlen gesenkt werden. Die Bauern müssten ihre Aufzuchtzahlen verringern. Im Tönnies-Fleischbetrieb im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück waren mehr als 1.500 Beschäftigte positiv auf das Corona-Virus getestet worden.
Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands befürchtet, dass viele Bauern infolge der Coronakrise ihre Höfe aufgeben müssen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. »Die Coronakrise wird die Agrarstruktur massiv verändern«, sagte Matthias Quaing, Marktreferent des Verbands, der Zeitung. »Zum einen wegen der abnehmenden Wirtschaftlichkeit, aber auch wegen der schwindenden Akzeptanz in der Gesellschaft.«
In der vergangenen Woche hätten die rund 20.400 Schweinehalter in Deutschland durch sinkende Schlachtpreise und zu spät abgelieferte Schweine etwa 20 Millionen Euro verloren, erklärte Quaing. Aktuell werden nach seinen Worten etwa 760.000 Schweine pro Woche geschlachtet, »vor Corona« seien es 850.000 bis 900.000 pro Woche gewesen. Agenturen/nd
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