- Politik
- Lieferkettengesetz
Manipulationsvorwurf: Wirtschaft stemmt sich gegen Lieferkettengesetz
Aktivisten werfen Unternehmen »Verwässerung« von Befragung zu Gesetzesprojekt vor
Berlin. Angesichts aktueller Beratungen der Bundesregierung über ein Lieferkettengesetz wächst der Widerstand deutscher Firmen dagegen - und diese manipulieren offenbar eine Befragung der Bundesregierung, ob Standards eingehalten werden. Wirtschaftsverbände erteilten am Montag in Berlin in einer gemeinsamen Erklärung der Einführung eines nationalen deutschen Sorgfaltspflichtengesetzes »eine Absage«. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Handelsverband Deutschland (HDE) betonten mit Hinweis auf die Corona-Krise, es müssten »nationale Belastungen vermieden werden, um die ohnehin schwierige Wirtschafts-Erholung nicht noch mehr zu verzögern«.
Die Bundesregierung setzt derzeit den »Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte« (NAP) um, der folgendes vorsieht: Wenn weniger als die Hälfte der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, werden »weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen« geprüft. Unter Federführung des Auswärtigen Amtes gab es dafür Umfragen zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen.
Einem Außenamtssprecher zufolge lag das Ergebnis am Montagmittag noch nicht vor. Das notwendige Quorum zur Hochrechnung der Daten sei erreicht worden, betonte er zugleich. In dieser Woche werde es in der Regierung Gespräche zu dem Thema geben.
Die »Initiative Lieferkettengesetz« äußerte indes die Befürchtung, dass die Ergebnisse der Studie zugunsten der Wirtschaft »stark verwässert« wurden. »Auf Druck« von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) seien unvollständig ausgefüllte Fragebögen aus der Bewertung herausgenommen wurden, obwohl diese Unternehmen die Anforderungen nicht erfüllten, erklärte die Initiative aus mehr als 90 Organisationen, darunter Umweltverbänden, Gewerkschaften und kirchlichen Akteuren. Das zeige eine Studie der Initiative.
»Trotz der abgeschwächten Methodik« ergebe die Befragung, dass »offenbar weniger als 50 Prozent der großen deutschen Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung ausreichend gerecht werden«, so die Initiative. »Dieses Ergebnis macht doppelt fassungslos: Erst tut die Wirtschaftslobby alles dafür, dass die Anforderungen für die Befragung möglichst niedrig sind - und dann scheitern die Unternehmen offenbar selbst daran«, sagt Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz.
Lesen Sie auch: Supermarktfirmen unter Druck - Franziska Humbert von Oxfam über Menschenrechtsverstöße in den Lieferketten
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) müssten jetzt zeitnah einen Referentenentwurf für ein Lieferkettengesetz vorlegen. Heil und Müller gehören im Kabinett zu den Befürwortern eines solchen Gesetzes, weil sie mit ersten Ergebnissen der Umfragen nach eigenen Angaben nicht zufrieden waren. epd/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.