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Teure »Kur« für steinernen Kolonialisten
Sanierung des Hamburger Bismarck-Denkmals kostet neun Millionen Euro. Kritiker fordern Abriss
Wer von Hamburgs Mitte aus die Reeperbahn ansteuert, vor Beginn der Amüsiermeile kurz nach links blickt und dort den gewaltigen Steinkopf des Bismarck-Denkmals erwartet, wird ihn nicht sehen. Denn das fast 35 Meter hohe Monument ist eingerüstet, in Planen eingehüllt, ist seit Monaten Baustelle. Um es zu erhalten, muss die Standfestigkeit gesichert, die Fassade gereinigt und ausgebessert, müssen Fugen verfüllt werden. Allein diese Arbeiten an dem 1906 eingeweihten Koloss werden neun Millionen Euro verschlingen. Zusammen mit der Sanierung des Alten Elbparks, in dem es steht, sind für das Projekt rund 13 Millionen Euro veranschlagt. Bund und Stadt werden sich die Kosten voraussichtlich teilen.
Wesentlich geringer wäre der finanzielle Aufwand, wenn die Abrissbirne das Standbild des von 1871 bis 1890 amtierenden deutschen Reichskanzlers aus dem Stadtbild der Hansestadt getilgt hätte. Zuletzt demonstrierten vor einer Woche die Initiativen »Intervention Bismarck-Denkmal Hamburg« und »Decolonize Bismarck« gegen die Sanierung, nicht nur wegen der Kosten, sondern mit Blick auf das Lebenswerk Otto von Bismarcks. Er gilt als Wegbereiter des Kolonialismus, berüchtigt ist er auch wegen seiner Repressalien gegen Linke in Form des Sozialistengesetzes. Und er stand für imperialistische Kriegspolitik.
Für all das war ihm das Hamburger Großbürgertum so dankbar, dass es das Andenken des 1889 verstorbenen Kanzlers mit jener im Jahr 1906 eingeweihten gigantischen Statue ehrte. Das Hamburger Bündnis gegen rechts erinnerte dieser Tage in einer Stellungnahme daran, dass der Bau des Kolosses seinerzeit vollständig privat finanziert wurde – dass also eigentlich auch die Sanierung nicht dem Steuerzahler aufgebürdet werden dürfe. Laut Bündnis waren die Förderer des Projekts »größtenteils« Anhänger eines völkischen Nationalismus gehörten zu den »Wegbereitern der NS-Diktatur«. Auch die NSDAP habe einen Bismarck-Kult gepflegt. Das Bündnis erinnert daran, dass im Denkmal nach 1933 NS-Symbole einschließlich eines Hakenkreuzes und stilisierter SS-Runen angebracht wurden.
All das wäre längst verschwunden, wenn man den steinernen Bismarck 1963, wie anfangs geplant, abgerissen hätte, um Platz für die Internationale Gartenbauausstellung zu schaffen. »Reaktionäre Seilschaften in den Behörden verhinderten dies jedoch, indem sie den Koloss kurzfristig unter Denkmalschutz stellten«, schreibt das Bündnis gegen rechts.
Einen Abriss jedoch lehnt die Landesregierung von SPD und Grünen ab. Kultursenator Carsten Brosda (SPD) möchte vielmehr nach der Renovierung über einen künstlerischen Wettbewerb eine »Gegenposition« am Monument deutlich werden lassen. Das könne von »radikalen Gegenpositionen, die diesem heroischen Gigantismus eine ironische Brechung entgegensetzen bis hin zu digitalen Applikationen« reichen, sagte er am Montag gegenüber der Deutschen Presseagentur. In jedem Fall soll in der Baugrube neben dem Sockel eine Ausstellung entstehen, um das Denkmal »kritisch einzuordnen«. Der »künstlerische Prozess« solle parallel zu den Sanierungsmaßnahmen laufen, so Brosda. Das Verfahren solle unter anderem mit dem Beirat zur Aufarbeitung Hamburgs kolonialer Vergangenheit besprochen werden. Allerdings sollen Konzepte zur Schaffung eines neuen Kontexts erst im Herbst »erörtert« werden, wie Brosda vage formulierte.
Handfester ist dagegen der Vorschlag von Ulrich Hentschel, Pastor und ehemaliger Studienleiter für Erinnerungskultur an der Evangelischen Akademie in Hamburg: Seinerzeit, erzählte Hentschel unlängst in einem Interview, sei der Bismarck-Kopf per Pferdefuhrwerk herangekarrt und dann der Statue aufmontiert worden. Man könne ihn doch jetzt wieder abnehmen und ihn auf einen steinernen Pferdewagen setzen. Damit ließen sich Monumentalität und Wucht des Denkmals brechen, empfiehlt Hentschel. Das sei nötig, denn: »Bismarcks Politik basierte auf der Gewalt des Schwertes und dieses Schwert bedeutete für Hunderttausende Menschen in Polen, in Frankreich und später in den Kolonien den Tod.«
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