Hedwigs-Kathedrale vor jüngstem Gericht
Juristische Auseinandersetzung um den Erhalt der denkmalgeschützten Innenraumgestaltung
Wegen Baumaßnahmen ist die St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin-Mitte seit Herbst vergangenen Jahres geschlossen. Um den vom Erzbistum Berlin gegen heftigen Widerstand beschlossenen Umbau des Innenraums der katholischen Bischofskirche wird seit Jahren erbittert gestritten. An diesem Dienstag findet nun am Landgericht Berlin die erste mündliche Verhandlung im Urheberrechtsverfahren zur Hedwigs-Kathedrale statt. Es geht um den Erhalt eines Architekturdenkmals aus DDR-Zeiten, wohlgemerkt einer Gemeinschaftsarbeit von Architekten und Künstlern aus beiden damaligen deutschen Staaten.
Nachfahren der Künstler, die den 1963 vollendeten Wiederaufbau der Kathedrale gestaltet haben, hatten im August 2018 Klage gegen das Erzbistum Berlin erhoben, das eine weitgehende Veränderung des Gesamtkunstwerks ohne Abstimmung mit den Urhebern plant. Wie der Verein Freunde der Hedwigskathedrale dazu mitteilte, wenden sich die Urheberrechtseigentümer »gegen die Entstellung ihres gemeinsamen Werkes durch einen Radikalumbau und wollen die Wahrung ihrer Rechte bei Gericht erwirken«.
Die Zeit drängt, denn nachdem bereits im Januar 2019 das Verwaltungsgericht zwei Klagen gegen die Genehmigung des Umbaus zurückgewiesen hatte, sind die Arbeiten im denkmalgeschützten Innenraum der Kirche schon in Gange. Und es sind Fakten geschaffen worden. Im Dezember 2019 hatten Umbaugegner vor dem Haus der Stiftung Deutscher Denkmalschutz mit einer Mahnwache gegen die zu diesem Zeitpunkt bereits laufenden Abbrucharbeiten protestiert, denen - wie es damals hieß - ohne Baugenehmigung »raumbildende Ausbauten« zum Opfer gefallen seien.
Das Gericht, das den ursprünglich für den 17. März anberaumten Verhandlungstermin coronabedingt kurzfristig aufgehoben hatte, teilte anlässlich der Verkündung des neuen Termins mit: »Die Kläger - sechs Personen - klagen in diesem Verfahren gegen das Erzbistum Berlin auf Unterlassung verschiedener Umgestaltungsmaßnahmen des nach den Kriegszerstörungen der Kathedrale im Zweiten Weltkrieg beim Wiederaufbau ab 1953 neugestalteten Innenraums.« Die Kläger beriefen sich dabei auf die Urheberrechte des Architekten beziehungsweise weiterer Schöpfer der Innengestaltung.
Mit ihrer markanten Kuppel gehört die Kathedrale zu Berlins bekanntesten Kirchen und fehlt in keinem Stadtführer. Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und ab 1953 wiederaufgebaut, steht nicht nur das - weitgehend dem 1773 entstandenen Bauwerk entsprechende - Äußere, sondern auch die völlig neu konzipierte, maßgeblich auf den westdeutschen Architekten Hans Schwippert zurückgehende Innenraumgestaltung der Kathedrale unter Denkmalschutz.
Wie die Mitglieder des Vereins Freunde der Hedwigskathedrale betonen, wenden sich die Kläger dagegen, »dass der vom Urheber geschaffene Innenraum sowie wesentliche Bestandteile der Ausstattung im gesamten Erscheinungsbild verändert und in einen dem Werk nicht mehr entsprechenden Zusammenhang gebracht werden«.
Mit ihrer Klage handelten die Urheberrechtseigentümer auch im Sinne vieler prominenter Fachleute aus den Bereichen Denkmalpflege, Architektur, kulturelles Erbe und Erinnerungspolitik sowie des überwiegenden Teils der kunstinteressierten Öffentlichkeit, heißt es weiter. Die denkmalrechtliche Genehmigung der an der Kathedrale eingeleiteten destruktiven Baumaßnahmen sei vor zwei Jahren aufgrund fehlerhafter Abwägung und mangelhafter Plausibilitätsprüfung zustande gekommen.
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