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Das Moor hängt am Tropf

Wasserbetriebe versuchen Barssee im Grunewald mit Leitungswasser zu retten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Entmineralisiertes Trinkwasser soll dem Barssee im Grunewald als Moor eine Zukunft geben.
Entmineralisiertes Trinkwasser soll dem Barssee im Grunewald als Moor eine Zukunft geben.

420 000 Euro - so viel lassen sich die Berliner Wasserbetriebe in den nächsten zwei Jahren die Rettung des Barssees kosten. Allerdings nicht als See, sondern als Moor. Offene Wasserflächen sind in dem durch die Eiszeit geformten tiefen Kessel, der ungefähr einen Kilometer vom Grunewaldturm entfernt liegt, schon vor Jahrzehnten verschwunden. »Über 100 Jahre Trinkwasserförderung im Berliner Stadtgebiet haben ihren Preis«, sagt Umwelt-Staatssekretär Stefan Tidow (Grüne). Seine Verwaltung sei sehr froh, dass sich die Wasserbetriebe auf den Weg gemacht haben, das Moor vor der endgültigen Verlandung zu retten, erklärt er noch. Denn die Trockenheit der letzten drei Jahre hat das Feuchtgebiet noch weiter geschädigt.

Es ist nicht der erste Rettungsversuch. Schon in den 50er Jahren wurde über einen Kanal Wasser aus der Havel eingeleitet, in den 90er Jahren probierte man es mit Trinkwasser. Das Problem war immer dasselbe, erläutert Holger Brandt vom Naturschutzreferat der Umweltverwaltung: »Durch den Nährstoffeintrag werden Pflanzen begünstigt, die normalerweise nicht in einem Moor wachsen.« Bei dem jetzigen Pilotversuch, der zwei Jahre laufen soll, wird das Trinkwasser mit einer sogenannten Umkehrosmoseanlage von Mineralien und Nährstoffen befreit, damit es praktisch Regenwasser entspricht. 500 Liter Niederschlag pro Quadratmeter fällt normalerweise pro Jahr dort, weitere 300 Liter werden über vier Wassersprenger nun dazugegeben.

»Früher stand so aufbereitetes Wasser zu keinem finanzierbaren Preis zur Verfügung«, sagt Bernhard Hasch von den Berliner Wasserbetrieben. Erst die Fortschritte bei der Umkehrosmose haben das möglich gemacht. Die Anlage ist in drei Containern einige Hundert Meter vom See untergebracht. Der Versuch kommt gerade recht für das Moor. »In den letzten drei Jahren gab es einen ziemlich deutlichen Rückgang der Wasserstände«, berichtet Hasch.

Wenn sich das Vorgehen bewährt, soll auch der nahe gelegene Pechsee so bewässert werden. »Wir stehen in engem Kontakt zu den Wasserbetrieben, tauschen einmal monatlich Daten aus«, sagt Brandt. Sollten sich negative Konsequenzen zeigen, könne nötigenfalls das Projekt auch kurzfristig modifiziert oder schlimmstenfalls abgebrochen werden.

Die Moorrettung ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Wenn die Feuchtgebiete austrocknen, setzen sie das zum Teil über Jahrtausende gespeicherte Kohlendioxid frei, anstatt weiteres zu binden, wenn sie ihre natürliche Funktion erfüllen.

»Die Stadt wächst, die Sommer werden heißer, was den Verbrauch erhöht. Gleichzeitig reduziert sich die Wasserneubildung durch geringere Niederschläge. Wir kommen in eine richtige Zange«, schildert Jörg Simon, Vorstandsvorsitzender der Wasserbetriebe die Perspektive der Trinkwasserversorgung der Hauptstadt.

Das landeseigene Unternehmen hat daher ein sogenanntes Resilienzkonzept entwickelt, um die Wasserförderung noch unabhängiger gegenüber Trockenphasen und dem erhöhten Bedarf zu machen. Ein Baustein ist das Konzept zur Brunnenerneuerung. »Unsere Brunnen für die Wasserförderung laufen nicht durchgehend«, erläutert Astrid Hackenesch-Rump, Sprecherin der Wasserbetriebe. »Durch die länger werdende Hochsaison bleibt uns aber weniger Zeit für die übliche Wartung«, schildert sie das Problem. Auch sogenannte hydraulische Engstellen müssen beseitigt werden. Einfach gesprochen: Flaschenhälse, an denen nicht genug Wasser durchkommt, um einen Spitzenbedarf abzudecken. »Das Verbot von Gartenbewässerungen in einigen Brandenburger Kommunen liegt nicht nur in der nachlassenden Ressource begründet, sondern auch am fehlenden Wasserdruck, wenn um 18 Uhr alle gleichzeitig beginnen, den Rasen zu sprengen«, sagt Hackenesch-Rump.

»Für das 2001 stillgelegte Wasserwerk Johannisthal ist eine Wiederinbetriebnahme schon länger im Gespräch«, ergänzt die Sprecherin. Zunächst soll es als sogenanntes Überpumpwerk in Betrieb gehen, mit dem Wasser aus dem Werk Beelitzhof am Wannsee in das dortige Netz gespeist werden kann. Bisher kommt nur Wasser aus Friedrichshagen und der Wuhlheide in den Südosten Berlins. »Kommt es zu einem Rohrbuch, säße man dort auf dem Trockenen«, sagt Hackenesch-Rump. Trinkwasserförderung wäre in Johannisthal derzeit gar nicht möglich, weil das Grundwasser noch mit Altlasten der ehemaligen Industrie belastet ist. »Der Charme am Überpumpwerk ist, dass es in der Zukunft modular um die Wassergewinnung erweiterbar ist.« Auch das ebenfalls 2001 stillgelegte Wasserwerk Jungfernheide könnte künftig wieder ans Netz gehen.

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