- Politik
- NSU 2.0
Künast: Drohmails sind große Gefahr für Frauen - und das ganze Land
»Viele Staatsanwaltschaften haben offenbar keine Vorstellung davon, was Politiker und Personen des öffentlichen Lebens oder auch Ehrenamtler und Kommunalbeamte so aushalten müssen.«
Berlin. Die Grünen-Politikerin Renate Künast sieht in den Drohmails in Hessen eine Steigerung der Hass-Attacken im Netz. Künast sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin, insbesondere Frauen, die aktiv sind, würden massiv bedroht. Für einige in der rechtsextremen Szene, aus der die Mails kommen, seien solche Frauen eine Zumutung: »Wir erleben aktuell, dass sie zur nächsten Stufe übergegangen sind, nämlich Frauen mit dem Tod zu drohen.«
Mit Blick auf Abfragen persönlicher Daten von hessischen Polizeicomputern, die den Mails vorausgingen, sprach Künast von einer »wahnsinnigen Gefahr für die Frauen«. Die Vorgänge gefährdeten aber auch eine der Grundfesten der Gesellschaft, dass Sicherheitsbehörden sich an Recht und Gesetz hielten. »Wenn aus diesen Institutionen so agiert wird, ist das eine Gefahr für das ganze Land und nicht nur für die betroffenen Personen«, betonte Künast.
Aktuell werden mehrere Linken-Politikerinnen in Hessen, Thüringen und Berlin sowie eine Frankfurter Rechtsanwältin und eine Kabarettistin bedroht. In mehreren Fällen gingen den Mails Abfragen der persönlichen Daten von hessischen Polizeicomputern voraus. Der hessische Polizeipräsident musste zurücktreten.
Die frühere Verbraucherministerin und Juristin Künast, die vor Berliner Gerichten gegen Hass-Attacken aus dem Netz gegen sie selbst vorgegangen ist, sieht vor dem Hintergrund der digitalen Verbreitung den Umgang der Justiz mit Beleidigungen und Drohungen kritisch. Sie hat in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde eingereicht mit dem Ziel, die rechtliche Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten in Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen durch die Digitalisierung zu schärfen.
»Im analogen Zeitalter war die Reichweite von solchen Beleidigungen und Drohungen begrenzt, und die Erinnerung verblasste auch irgendwann. Im digitalen Zeitalter verblasst gar nichts«, sagte Künast: »Deshalb brauchen diejenigen, die solchen Bedrohungen ausgesetzt sind, eine andere rechtliche Unterstützung.« In bisherigen Verfahren sei vielfach nicht richtig ermittelt oder zu schnell eingestellt worden, kritisierte Künast: »Viele Staatsanwaltschaften haben offenbar keine Vorstellung davon, was Politiker und Personen des öffentlichen Lebens oder auch Ehrenamtler und Kommunalbeamte so aushalten müssen.«
Es gebe inzwischen Hinweise, dass eine Mehrheit der Frauen ihre Meinung im Internet nicht äußere, weil sie die Reaktionen fürchte, sagte Künast. Das dürfe man nicht zulassen und das müsse auch in der Rechtsprechung eine Rolle spielen. epd/nd
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!