Der 1. FC Union sucht die Konfrontation
Auch die DFL erteilt dem Ziel der Berliner, wieder vor vollen Rängen zu spielen, eine Absage. Von Alexander Ludewig
Hat der 1. FC Union voreilig gehandelt? Eher nicht. Als der Berliner Bundesligist vor einer Woche angekündigt hatte, schon mit Beginn der kommenden Saison im September wieder in einer ausverkauften Alten Försterei Fußball spielen zu wollen, kam Kritik vor allem aus Wissenschaft und Politik. Der Tenor: unverantwortliche Gedankenspiele in Zeiten einer Pandemie. Öffentliche Unterstützung, auch aus dem Fußball, blieb gänzlich aus. Gegenüber »nd« hatte der Verein bezüglich seines noch in Arbeit befindlichen Konzeptes mitgeteilt: »Wäre die Wahrscheinlichkeit gleich Null, hätten wir die Idee nicht vorgebracht.«
Nach dem tönenden Vorstoß herrscht spätestens seit Donnerstag Ruhe in Köpenick. »Wir werden erst mal keine Stellungnahme dazu abgeben«, antwortete der Klub. Die Frage lautete: »Wie beurteilt Union die Mitteilung der DFL?« Der Ligaverband hatte am Mittwoch auf 41 Seiten einen »Leitfaden für die Konzepterstellung zwecks Wiederzulassung von Stadionbesuchern« veröffentlicht. Dass der 1. FC Union als Mitglied der DFL davon überrascht wurde, ist eher unwahrscheinlich. Zumal der Ligaverband das zuvor auch offiziell angekündigt hatte. Also kann das Vorgehen des Berliner Bundesligisten durchaus als Konfrontationskurs beschrieben werden. Die DFL erteilt dem Wunsch nach ausverkauften Stadien auf unabsehbare Zeit jedenfalls eine klare Absage.
Vielleicht haben aber auch die nun im Leitfaden konkret formulierten Grundlagen für die neue Saison den Berlinern die Sprache verschlagen. Nimmt man die aufgeführten Berechnungsmodelle für eine mögliche Auslastung der Stadien, dann kommt der 1. FC Union von allen Bundesligisten am schlechtesten weg. Neben zahlreichen anderen Faktoren wie beispielsweise dem »Pandemie-Level«, also die Höhe der Neuinfektionen mit dem Coronavirus pro Woche, oder die Einbeziehung örtlicher Gegebenheiten bei der An- und Abreise der Fans, ist die Art des Stadions entscheidend. Die mögliche Auslastung in Sitzplatzstadien wird mit bis zu 50 Prozent angegeben, bei Stehplatzbereichen wird mit nur 12,5 Prozent gerechnet. Da in der Alten Försterei auf 18 395 von insgesamt 22 012 Plätzen gestanden wird, könnte Union Berlin schon vor dem Anpfiff der neuen Saison erster Verlierer sein. Ist in normalen Zeiten die nahezu einzigartige Stimmung eine große Stärke, könnte die Alte Försterei jetzt zum Nachteil im Abstiegskampf werden.
Den Namen »Leitfaden« trägt das Papier der DFL nicht umsonst. Im Gegensatz zum Neustart der vergangenen Saison ist nun nur noch das »medizinisch-organisatorische Konzept zum Arbeitsschutz von Spielern und arbeitendem Personal im Aktivenbereich« des Ligaverbandes verpflichtend. Alles andere müssen die Klubs selbst mit den örtlich zuständigen Behörden klären. Schaut man aber auf die starke Lobbyarbeit der DFL von März bis Mai, die das sportliche Ende der vergangenen Spielzeit erst möglich gemacht hatte, werden wohl auch jetzt die Entscheidungsträger dem Ligaverband vertrauen.
Ihren Leitfaden hatte die DFL vorab dem Bundesministerium für Gesundheit präsentiert. Dessen Chef, Jens Spahn, meldete sich dann auch gleich am Mittwoch zu Wort. Die Kernaussagen des CDU-Politikers: Wichtig sei die Einhaltung des Mindestabstands von anderthalb Metern und der Verzicht auf Stehplätze. Wer sich daran erinnert, wie hart Unions Präsident Dirk Zingler den Gesundheitsminister im März ob dessen berechtigter Absageempfehlung an den Fußball attackiert hatte, der dürfte ahnen, dass das Köpenicker Konzept kaum Chancen haben wird.
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