Arbeitskampf bei H&M-Zulieferer
Seit dem 6. Juni 2020 kämpfen die 1200 Beschäftigten des H&M-Zulieferers Euro Clothing Company (ECC-2), der zum Bekleidungshersteller Gokaldas Exports gehört, gegen ihre Entlassung und für die Auszahlung ausstehender Löhne. In den vergangenen sechs Jahren produzierte der Standort in Srirangapatna im indischen Bundesstaat Karnataka fast ausschließlich für H&M. Im vergangenen Jahr lag das Produktionsvolumen für den schwedischen Konzern bei circa 90 Prozent und im laufenden Jahr bis zum Corona-bedingten Lockdown bei 100 Prozent.
Am 24. März 2020 verfügte die indische Regierung einen landesweiten Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Die Produktion nicht-lebensnotwendiger Waren und Dienstleistungen wurde eingestellt. Unternehmen sollten die Löhne zu 100 Prozent während des Lockdowns weiterzahlen. Zur gleichen Zeit verkündeten multinationale Einzelhandelsunternehmen wie H&M, Zara oder Primark die Stornierung und das Aufschieben von Bestellungen in Milliardenhöhe.
Als die Produktion in ECC-2 Anfang Juni wiederaufgenommen wurde, arbeiteten die Beschäftigten existierende Aufträge ab. Trotz der Regierungsanordnung hatte das Unternehmen den Beschäftigten nur die Hälfte der Löhne ausgezahlt. Am 6. Juni verkündete das Management dann die Entlassung der 1200 Näherinnen mit der Begründung, es gebe keine neuen Aufträge. H&M sagt hingegen, das Auftragsvolumen an Gokaldas Exports sei nicht geschrumpft.
Seit der Ankündigung, die 1200 Arbeiter*innen zu entlassen, protestieren die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft GATWU Tag und Nacht vor dem Werkstor gegen die Entlassungen und für die Auszahlung der ausstehenden Löhne. Der Standort ist einer der wenigen mit einer gewerkschaftlichen Vertretung in der Bekleidungsindustrie in Karnataka. »Die Entlassungen und die angedrohte Fabrikschließung sind Union Busting«, sagt Padma, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft GATWU und Vorsitzende der Betriebsgewerkschaft bei ECC-2. Von den übrigen 20 Standorten von Gokaldas Exports werde keiner geschlossen. Nur dort, wo sich Beschäftigte organisiert haben und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, wurden Beschäftigten gekündigt, so Padma.
Die Gewerkschaft GATWU sowie deren Gewerkschaftsdachverband NTUI klagen vor der zuständigen Arbeitsbehörde gegen die Entlassungen. Diese seien illegal, weil das Unternehmen das geltende Kündigungsschutzrecht missachtet habe. Damit erhält der Arbeitskampf eine indienweite Bedeutung, denn es geht auch darum, inwieweit Arbeitsschutzrechte in der Krise gelten und Regierungsanordnungen zum Schutze von Beschäftigten Bedeutung haben - oder eben nicht.
NTUI und GATWU haben H&M und Gokaldas Exports bislang vergeblich aufgefordert, in den vereinbarten Gremien des Globalen Rahmenabkommens, das H&M mit dem internationalen Gewerkschaftsverband IndustriAll abgeschlossen hat, über eine Lösung des Konfliktes zu verhandeln. Während beide Unternehmen sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben, stehen die Beschäftigten vor dem Nichts. »Die Gespräche mit den Unternehmen verlaufen im Sand. Gokaldas gibt sich kompromisslos und H&M verweigert jegliche ernsthafte Kommunikation. H&M hat sich durch das eigene Rahmenabkommen verpflichtet, verweigert sich aber gemäß dem Abkommen zu handeln«, sagt Prathibha R, Vorsitzende der Gewerkschaft GATWU.
Mittlerweile gibt es auch internationale Unterstützung für den Arbeitskampf der Beschäftigten. Der Verdi-Fachbereich Handel sowie der Gesamtbetriebsrat von H&M fordern das Unternehmen auf, Verantwortung zu übernehmen. H&M müsse ernsthaft mit GATWU und der NTUI sowie dem Management von Gokaldas Exports in den Gremien des Globalen Rahmenabkommens mit IndustriAll über eine Lösung des Konfliktes verhandeln. nd
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