Die Logik des Systems

Die Einführung »Crash Kurs Krise« setzt ökonomische Analysen an die Stelle der Verbrämungen der herrschenden Volkswirtschaftslehre

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Wir werden noch überschwemmt werden von Büchern über die Folgen der Corona-Pandemie. Das Thema beschäftigt viele, also versprechen sich Verlage Absatz davon. Freilich lebt das Verlagswesen als Kulturbetrieb auch von Ideen und Idealen, aber zum Überleben braucht es den Verkauf. Das ist bis zu einem gewissen Grad vergleichbar mit jener Waschmaschinenfabrik, die sich nd-Autor Stephan Kaufmann und Antonella Muzzupappa, Referentin für Politische Ökonomie an der Rosa-Luxemburg-Stiftung, zum Modell nehmen. »In einer Gesellschaft, in der kapitalistisch produziert wird, gibt es nur ein Ziel, das von den produzierenden Unternehmen verfolgt wird, und das ist der Profit.« In der Hoffnung darauf wird investiert, werden Kredite aufgenommen, um durch Wachstum weitere Gewinne zu erwirtschaften. Warum alles wachsen muss, könnte man fragen, wenn die Überproduktion immer wieder in Krisen führt. Aber das ist die Logik des Systems, mit dessen Produktivität der sozialistische Versuch auf deutschem Boden nicht Schritt halten konnte.

An den Hochschulen der DDR gehörte »Politische Ökonomie des Kapitalismus« zum Grundstudium. Wer dessen Einmaleins noch im Kopf hat und in der Einheit von Gegensätzen zu denken versteht, wird beifällig zur Kenntnis nehmen, wie sich dieses Buch mit der »herrschenden Volkswirtschaftslehre« ebenso auseinandersetzt wie mit ideologischen Verbrämungen des Systems.

»Wie die Finanzmärkte funktionieren« wird in zupackender Sprache und beeindruckender Nüchternheit erklärt. Diese illusionslose Nüchternheit ist es, die den Text so empfehlenswert macht. Interessant, dass Ökonomen schon vor Sars-CoV-2 eine neuerliche Finanzkrise voraussagten. Und dick zu unterstreichen ist die Aussage, dass Krisen keine Unfälle sind, sondern diesem System immanent. Da ist die »Realwirtschaft« untrennbar mit der Finanzwirtschaft verbunden. Zins durch Kredite, Verleihung von Schulden, Börsengeschäfte nicht nur mit Aktien, sondern auch mit Derivaten, die eigentlich verboten werden sollten - immer weiter geht es die Spekulationsleiter hinauf. Den Absturz hat dann die Politik abzufedern, systemerhaltend. Da wird beim Lesen manche naive Vorstellung zerstört, etwa, dass Banken real über das Geld verfügen, das ihnen Anleger zur Verfügung stellen. Auch sie agieren in Erwartung laufender Geschäfte, andernfalls droht eine Kettenreaktion. Die Zentralbank aber kann (was manche vielleicht nicht wissen) - »im Gegensatz zu Privatbanken - echtes Geld schöpfen, zum Beispiel, indem sie Euro-Banknoten druckt oder es an die privaten Geschäftsbanken überweist«. Dies allerdings auch in Erwartung erfolgreicher Geschäfte. »Staatliche und private Schulden addiert erreichten 2019 den Rekord von 255 Billionen Dollar. Das entsprach über 320 Prozent der Weltwirtschaftsleistung.« Kann das gutgehen?

Von der Internetblase 2000, der US-Hypothekenkrise 2007, der »Griechenland-Krise« 2009 bis zur Coronakrise werden Abläufe durchschaubar gemacht. Das rational-analytische Herangehen der Autoren ist heilsam als Gegenpart zu verbreiteten moralischen Appellen, birgt aber die Gefahr, den »subjektiven Faktor« auszublenden.

Immer wieder treten Menschen für das als richtig Erkannte ein. Auch der Verleger, der das vorliegende Buch an die Öffentlichkeit brachte. Nicht alles unterliegt dem Profit. Wenn es den »guten Kapitalismus« nicht gibt, wie es am Schluss des Buches heißt, wenn er »bei entsprechenden Machtverhältnissen« ersetzt werden könnte »zugunsten einer anderen Logik«, so sind auch jene zu verstehen, die sich mit einer solchen nebulösen Hoffnung nicht zufriedengeben wollen, sondern versuchen, auch hier und jetzt schon wenigstens partiell etwas zu verbessern.

Stephan Kaufmann/Antonella Muzzupappa: Crash Kurs Krise. Wie die Finanzmärkte funktionieren - eine kritische Einführung. Verlag Bertz + Fischer, 175 S., br., 8 €.

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