»Das will ich machen!«

Teil 3 der nd-Serie: Bikepolo macht Gitti la Mar glücklich - und auch die offene Gemeinschaft der Aktiven

Wie würden Sie Bikepolo beschreiben?

Eishockey auf Rädern. Wir nennen es auch Hipster-Hockey (lacht).

Warum Hipster-Hockey?

Weil es wirklich coole Leute machen, verrückte Moves auf tollen Bikes.

Was denn für Leute?

Es sind Menschen aus allen möglichen Nationen mit unterschiedlicher Religion und sexueller Orientierung. Und wir spielen gemischt, also Frauen und Männer zusammen. Es ist eine sehr offene Gemeinschaft.

Und dazu passt die Härte des Eishockeys?

Ich finde es eher faszinierend und weniger hart. Aber ich mag eben Geschwindigkeit und gehe auch gern an Grenzen. Also im Fahrradalltag fährst du ja nicht mit jemandem Schulter an Schulter und versuchst, ihn wegzudrücken. Es gibt Leute, die verletzen sich nie. Das kommt ein bisschen auf die Spielweise an.

Hatten Sie schon schwere Verletzungen?

Ja, ein zertrümmertes Wadenbein, einen Meniskusriss und einen Mittelhandknochenbruch. Aber das ist wirklich nicht die Regel. Blaue Flecken und Stürze gehören jedoch immer dazu.

Apropos Regeln. Welche sind die wichtigsten für das Spiel?

Wir spielen in Dreierteams gegeneinander, auf einem Feld mit hartem Untergrund, das 40 Meter lang und 20 Meter breit ist. Die Tore sind so groß wie beim Eishockey, der Ball ähnelt dem vom Hockey und ein Spiel dauert zehn Minuten oder bis fünf Tore gefallen sind. Erlaubt ist dabei Schläger an Schläger, Rad an Rad und Person an Person, aber beispielsweise nicht Schläger an Rad. Das ist ein Foul. Andere Spieler darf man natürlich auch nicht schlagen (lacht). Und wer mit dem Fuß den Boden berührt, muss am Tapout, einer Markierung am Spielfeldrand, anschlagen und darf erst danach weiterspielen.

Wie sind Sie zum Bikepolo gekommen?

Durch einen Freund, der Fahrradkurier war. Das war genau deren Sport. Um die Jahrtausendwende hatten ja auch Fahrradkuriere in Seattle Bikepolo wiederentdeckt. 2007 hab ich es zum ersten Mal gesehen, 2008 gab es in Berlin dann kleine Kiezmeisterschaften in Abbruchhäusern, da gab es noch Abbruchhäuser (lacht) - und noch keine Frauen, die es hier gespielt haben. 2010 war dann die WM in Berlin, der Freund von mir hatte sie mitorganisiert. Da habe ich dann Lust bekommen, anzufangen.

Haben Sie davor auch andere Sportarten betrieben?

Also Fahrradfahren war schon immer mein Ding. Früher habe ich mal Leichtathletik gemacht, dann Tai Chi und Jiu Jitsu. Eine Zeit lang habe ich auch mal keinen Sport betrieben. Und dann habe ich Bikepolo gesehen und wusste: »Das will ich machen!«

War alles andere zu langweilig?

Alles andere hat mich nach einer gewissen Zeit nicht mehr so fasziniert und gefesselt. Bikepolo macht mich noch immer glücklich und ich fühle mich lebendig. Wenn ich das nicht mehr spielen könnte, dann würde mir etwas ganz Wichtiges in meinem Leben fehlen. Es ist auch einfach schön, bei diesem Sport draußen zu sein und Fahrrad zu fahren.

Kann man Bikepolo eigentlich mit jedem Fahrrad spielen?

Ja. Ich habe anfangs auf einem Beachcruiser geübt, dann mit einem Rennrad, aber das hat nicht so Bock gemacht. Die meisten haben früher auf Fixies gespielt und mit Baumbusschlägern. Mittlerweile gibt es Carbonschläger und spezielle Bikepolo-Räder. Die haben eine eigene Geometrie, der Abstand zwischen Vorder- und Hinterrad ist relativ klein. So kann man beispielsweise im Sitzen das Vorderrad schnell anheben und sich auf dem Hinterrad drehen. Mountainbikes sind auch geeignet. Aber grundsätzlich kann man mit jedem Rad spielen. Das Gute ist, dass man durch Bikepolo auch für das Fahren in der Stadt ein viel besseres Gefühl bekommt.

Den Schläger in der einen Hand, die andere am Lenker und dann auf dem Hinterrad drehen. Das klingt ziemlich verwegen?

Ja, schon. Aber das lernt man mit der Zeit. Und es ist eben auch das Schöne an diesem Sport: Er ist sehr vielfältig und bietet große Herausforderungen. Bikepolo ist akrobatisch und schnell. Und es ist ein Teamsport.

Haben Sie ein festes Team?

Nein, ich spiele immer gern mit unterschiedlichen Leuten zusammen. Das Schöne daran ist, dass man auf Turnieren so auch immer neue Leute kennenlernt. Es gibt aber auch viele, die ein festes Team haben.

Wenn drei Leute zusammenspielen, gibt es dann feste Positionen im Spiel?

Vorgeschrieben ist das nicht. Manche Teams machen das und legen beispielsweise einen Torwart fest. Ich finde das nicht gut. Für mich ist cool, wenn man rotiert. Und es ist eh gut, wenn jeder jede Position spielen kann.

Welche Positionen gibt es?

Angriff, Abwehr, Torwart - das sind die drei Positionen.

Darf man als Torwart den Ball mit jedem Körperteil und Spielgerät abwehren?

Ja. Wenn der Ball auf dich zufliegt, bleibt einem manchmal auch nichts anderes übrig.

Es klingt alles ziemlich frei und offen - das Spiel und die Leute, die es spielen. Wie seid Ihr organisiert und welche Turniere gibt es?

Weil der Sport in den USA wiederentdeckt wurde, gibt es da den Verband North American Hardcourt Bikepolo, der auch weltweit viel organisiert. Weil der Sport recht schnell gewachsen ist, mussten irgendwann ein paar grundlegende Regeln her, die eben durch diesen Verband festgeschrieben wurden. In Berlin spielen ungefähr 30 Leute Bikepolo. Wir haben uns als Sparte dem RV Berlin 1888 angeschlossen, das macht organisatorisch einiges einfacher. Aber ansonsten ist vieles frei und offen. Es gibt große Turniere nur für Frauen wie die »Ladies Army«, aber ich mag es besonders, dass wir auch mit gemischten Teams spielen.

Gibt es auch Welt- und Europameisterschaften?

Ja. Weltmeisterschaften werden alle zwei Jahre ausgespielt, Europameisterschaften jedes Jahr. In Berlin gibt es auch jährlich das »Berlin Mixed« auf dem Tempelhofer Feld, eines der größten Turniere in Europa.

Was waren ihre größten Erfolge?

Ich wurde bei den Hell’s Belles, der Europameisterschaft der Frauen, mehrmals als beste Spielerin ausgezeichnet und bin in Argentinien mit meinem Team Dritte geworden. Das war schon cool. Aber ich will nicht immer so verbissen dabei sein und mir auch den Spaß bewahren.

Und was waren die schönsten Erlebnisse durch diesen Sport?

Wie schon gesagt, dass man so viele verschiedene Leute aus ganz verschiedenen Ländern kennenlernt. In den letzten neun Jahren bin ich von Turnier zu Turnier gereist, habe auf verschiedenen Kontinenten in 23 Städten in 13 Ländern gespielt und Freunde auf der ganzen Welt gefunden.

Verbindet die Bikepolo-Community noch mehr als Sport?

Ja, klar. Grundsätzlich verbindet uns die Ablehnung jeder Form von Rassismus und Diskriminierung. Die feministische Fahrraddemo Purple Ride finden wir ebenso wichtig wie die Critical-Mass-Fahrten. Und in Berlin haben wir beispielsweise ein WTNB-Training etabliert, also für Frauen, Transgender und Leute mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität. Wir versuchen so Räume und Akzeptanz zu schaffen. Und ein mir wichtiger Punkt, den ich gern wiederhole: Wir spielen gemischt. So stelle ich mir Gesellschaft vor.

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