Viele Umweltschützer sterben beim Kampf gegen Abholzung und Bergbau

Vor allem in Lateinamerika ist Engagement für Umweltschutz gefährlich

  • Lesedauer: 3 Min.

Riohacha. Proteste gegen Bergwerke und Abholzung, Wasserkraftwerke und Großfarmen sind vielerorts gefährlich: Im vergangenen Jahr sind weltweit 212 Umweltschützer getötet worden, wie aus einer am Mittwoch von der Nichtregierungsorganisation Global Witness veröffentlichten Studie hervorgeht. Das sind durchschnittlich mehr als vier Morde pro Woche - und mehr als jemals zuvor. Zudem werden Umweltschützer in vielen Ländern wegen ihrer Arbeit immer wieder bedroht, verleumdet und vor Gericht gebracht.

Die meisten Morde an Umweltaktivisten wurden der Studie zufolge in Kolumbien (64), den Philippinen (43) und Brasilien (24) verübt. Mehr als zwei Drittel aller Fälle registrierte Global Witness in Lateinamerika. Aber auch im EU-Land Rumänien wurden im vergangenen Jahr zwei Umweltaktivisten getötet. Die Organisation geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl der getöteten Umweltschützer noch deutlich höher liegt, weil viele Fälle vertuscht oder nicht angezeigt werden.

Hinter den Gewalttaten stecken laut der Nichtregierungsorganisation meist Unternehmen, Farmer und teilweise auch staatliche Akteure sowie kriminelle Banden, paramilitärische Gruppen und Rebellen. »Landwirtschaft, Öl, Gas und Bergbau sorgen für die Gewalt gegen Umweltschützer - das sind genau die Industrien, die durch Abholzung und Emissionen auch den Klimawandel befeuern«, sagt Rachel Cox von Global Witness.

Die meisten Morde stehen im Zusammenhang mit Bergbau (50), gefolgt von Landwirtschaft (34) und Forstwirtschaft (24). »Viele der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen haben mit der Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen sowie Korruption in Politik und Wirtschaft zu tun«, sagt Cox. »Umweltschützer sind jene, die dagegen aufstehen.«

Im äußersten Nordosten Kolumbiens kämpft Angelicá Ortiz bereits seit Jahren gegen die Umweltschäden durch die Kohlemine El Cerrejón. Der größte Steinkohletagebau Lateinamerikas erstreckt sich im Department La Guajira auf rund 690 Quadratkilometern und produzierte zuletzt mehr als 25 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr.

»Unsere Wasserquellen versiegen, die Luft und das Wasser sind mit Schwermetallen belastet, die Menschen werden krank«, sagt Ortiz. Ihr Volk der Wayúu lebt in der Halbwüste von Guajira vor allem von der Viehzucht. »Wir kämpfen für unser Land, unsere Rechte und ein gesundes Umfeld«, sagt Ortiz.

Auch Deutschland importiert Kohle aus Kolumbien. Allerdings ging die Menge zuletzt deutlich zurück. War das südamerikanische Land 2016 mit 8,1 Millionen Tonnen nach Russland noch der zweitgrößte Steinkohlelieferant für die deutschen Kraftwerke, rutschte Kolumbien mit nur noch 2,1 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr auf den vierten Platz.

Dennoch sieht Umweltschützerin Ortiz die Stromkonsumenten in Deutschland in der Verantwortung. »Sie sollten wissen, was hier passiert, damit sie es hell und warm haben«, sagt sie. »Hier müssen ganze Dörfer weichen und die Menschen werden krank.« Zudem werden Ortiz und ihre Mitstreiterinnen vom Frauenverband der Wayúu wegen ihres Engagements immer wieder bedroht und eingeschüchtert.

Trotz des Friedensvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken Guerillaorganisation Farc hat die Gewalt gegen soziale Anführer, Menschenrechtsaktivisten und Umweltschützer in dem südamerikanischen Land zuletzt zugenommen. Die Zahl der Morde an Umweltaktivisten stieg 2019 um 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit 64 Fällen entfallen rund 30 Prozent aller Morde weltweit auf Kolumbien.

Ortiz ist bislang davongekommen, aber ihre Feinde haben sie immer im Blick. Zuletzt tauchte ihr Name auf einem Flugblatt mit dem Titel »Tod für alle - Soziale Säuberung« auf, das in La Guajira kursierte. »Es reicht, ihr Ratten. Bald werden wir einen nach dem anderen ausmerzen. Ihr habt 48 Stunden, um das Department zu verlassen«, hieß es dort. Ortiz ist geblieben - die Angst auch. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -