Die Elite der Parlamentsarmee hat ein Problem mit dem Grundgesetz

Das Kommando Spezialkräfte bekommt zum 25. Jahrestag eine »Reform« verpasst. Wann kümmert sich der Generalbundesanwalt um die aus dem Ruder gelaufene Truppe?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Alfons Mais ist seit Beginn der 1980er Jahre in der Bundeswehr. Seit Februar kommandiert er das Heer und damit rund 70 000 Frauen und Männer. Ab August wird er die komplette 2. Kompanie des in Calw stationierten Kommandos Spezialkräfte (KSK) auflösen. Sechs Monate soll der Prozess dauern. Mais erklärte jüngst gegenüber »nd«, in seinen Dienstjahren habe er viel erlebt, »doch so etwas gab es wohl noch nie«. Es gebe, so der Generalleutnant, »einen Orientierungs- und Werteverlust sowie strafrechtlich relevante Handlungen einer Minderheit«, mit denen jedoch »das Ansehen eines ganzen Verbandes und des gesamten Heeres in Mitleidenschaft gezogen wird«.

Mais spricht von »faulen Äpfeln«, die man aussortieren müsse, damit nicht die ganze Kiste fault. Doch, so mutmaßt er, die allermeisten anderen Kameradinnen und Kameraden stünden auf dem Boden des Grundgesetzes. Schließlich sei die Bundeswehr samt KSK eine Parlamentsarmee.

Die rund 1600 Angehörigen des KSK gelten als die am besten ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten des Heeres. Sie können jederzeit weltweit eingesetzt werden: im Gebirge, im Dschungel, in der Arktis oder in der Wüste. Die Soldaten haben nach außen keine Namen, kein Gesicht. Ihre Elite wird kommendes Jahr ihren 25. Gründungstag begehen. Feierlich, sagt Mais, obwohl auch er weiß, dass die Truppe immer wieder durch Skandale auf sich aufmerksam gemacht hat.

In der KSK-Chronik stehen auch Vergewaltigung, sexueller Missbrauch von Kindern und Besitz von kinder- und jugendpornografischen Schriften, Misshandlung Untergebener, ein besonders schwerer Fall von Landfriedensbruch sowie Körperverletzung und gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr sowie Abrechnungsbetrug.

Die Probleme hätten mit der jüngsten Nachricht über den umfangreichen Fund gestohlener Munition und von entwendetem Sprengstoff auf dem Grundstück eines KSK-Oberstabsfeldwebels in Sachsen sowie dem Geschehen bei einer sogenannten Schweinekopf-Party »in ihrer Gesamtheit eine neue Dimension« erreicht, sagt Generalleutnant Mais. Besagte »Party« war aber bereits im April 2017. Damals flogen bei der Abschiedsfeier für einen KSK-Oberstleutnant Schweineköpfe durch die Luft, es wurde zu Rechtsrock gegrölt, der Offizier selbst und andere zeigten den Hitlergruß.

Mais, damals Chef des Stabes im Heer, nennt die Vorgänge »widerlich und inakzeptabel«. Doch die Bundeswehr-Führung insgesamt zeigte sich nicht nur damals unwissend. Untersuchungsansätze wurden vor Ort geblockt. Schließlich machte man daraus die alkoholisierte Verfehlung eines Einzelnen. Der mit rechtem Arm grußgeile Oberstleutnant akzeptierte einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Stuttgart, zahlte 4000 Euro Buße.

Im Januar 2020 gab der Militärische Abschirmdienst (MAD) bekannt, dass beim KSK 20 Soldaten unter Rechtsextremismus-Verdacht stünden, obwohl zumindest die Hälfte der 2017 unter Verdacht stehenden Soldaten aus der Elitetruppe ausgeschieden ist oder in anderen Einheiten Dienst tut. Wer kümmert sich um die? Wer klärt die Vernetzungen zwischen zivilen und militärischen und geheimdienstlich aktiven Rechtextremisten auf? Wer schaut im Reservistenverband genauer hin, durchleuchtet gewaltbereite Vereine und Prepper-Gruppen? Wer sucht Querverbindungen zu Elitepolizisten, die verfassungsfeindlich auffällig sind? Die Ermittlungen zum Diebstahl der KSK-Munition führt ein Staatsanwalt in Sachsen. Wieso interessiert es den Generalbundesanwalt nicht, wenn der bestens bewaffnete und top trainierte Arm der Exekutive den Verdacht verfassungsfeindlicher Aktivitäten erregt?

Das Verteidigungsministerium hat eine Arbeitsgruppe gebildet, in der nicht mal der MAD vertreten ist. Und man hat Heereschef Mais mit »Reformen« beauftragt. 60 Punkte umfasst der beschlossene Katalog, mit dem extremistischen Tendenzen im KSK der Nährboden entzogen werden soll. Man will die seit Jahren gewachsene »falsche Führungsstruktur« korrigieren, erinnert sich daran, dass das Konzept der Inneren Führung, das eine demokratische Kontrolle der Armee von innen heraus garantieren soll, am KSK nicht vorbeigehen darf. Man will, so ist zu hören, die Kirchen bitten, Moral zu predigen, und mehr Psychologen anstellen, um die Gesinnung von Bewerbern gründlicher zu durchleuchten. Die Ausbildung der Elitekämpfer wird an die Infanterieschule Hammelburg delegiert und eine »Transparenzoffensive« mit einer Ausstellung soll Glückwünsche zum 25. Jahrestag des KSK hervorlocken.

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