Mit Beatmungsgeräten abgezockt

In lateinamerikanischen Ländern gaben Behörden sehr viel Geld für Instrumente aus, die oft nicht richtig funktionierten

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Kaufvertrag für 170 Beatmungsgeräte wurde von Marcelo Navajas, dem ehemaligen Gesundheitsminister Boliviens, persönlich unterzeichnet. Trotz Warnungen von Fachleuten wurden pro Gerät 27 683 US-Dollar gezahlt, die Ware kam Mitte Mai aus Spanien. Doch die Geräte, die für Covid-19-Patienten gedacht waren, konnten auf den Intensivstationen in Bolivien nicht eingesetzt werden. Und wie die Tageszeitung »El Deber« recherchierte, kosten solche Geräte normalerweise nur 10 000 US-Dollar pro Stück. Für Navajas war die Geschichte das Ende seiner politischen Karriere. Gegen ihn wird nun wegen Korruption ermittelt.

Und das ist kein Einzelfall in Lateinamerika. Neun Länder orderten zwischen Anfang März und Ende Mai mehr als 23 000 Beatmungsgeräte, um ihre Krankenhäuser auf die Versorgung von Covid-19-Patienten vorzubereiten. »Unser Gesundheitssystem steht einer Pandemie fast hilflos gegenüber, und es gibt mehrere Tausend Anzeigen wegen Korruption - bei der Beschaffung von Ausrüstung und auch bei der Verteilung von Nothilfe«, schimpft der Entwicklungsexperte Carlos Herz. Der frühere Berater für internationale Hilfsorganisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sieht strukturelle Probleme. »Wir bezahlen derzeit die Quittung für eine Privatisierungslogik, die auch vor dem Gesundheitssystem nicht halt gemacht hat«, so der 66-Jährige, der heute eine Bildungseinrichtung leitet. Peru beispielsweise sollte sechs Prozent seiner Wirtschaftsleistung für das Gesundheitssystem ausgeben, doch tatsächlich sei es nicht einmal die Hälfte.

Fehlende Kompetenz, die zur Annahme führte, dass hochkomplexe Beatmungsgeräte auch in Peru hergestellt werden könnten, gehören genauso dazu wie der notgedrungene Einkauf von Geräten zu überhöhten Preisen, so Herz. Das belegen auch Recherchen des Journalisten-Netzwerks »Centinela Covid-19«, das in neun Staaten Lateinamerikas die Modalitäten des Einkaufs unter die Lupe genommen hat. Demnach wurden von den Regierungen 23 000 Geräte zum Gesamtpreis von 320 Millionen US-Dollar geordert. Wie Gustavo Gorriti von der investigativ arbeitenden Redaktion von IDL-Reporteros aus Lima belegen kann, wurden in Peru 636 Beatmungsgeräte mit Preisaufschlägen von bis zu 20 000 US-Dollar je Stück gekauft. Das ergibt der Vergleich mit anderen Ländern wie Costa Rica, die zum Teil für identische Geräte beim gleichen Unternehmen weniger bezahlten. Ob Mitarbeiter der peruanischen Gesundheitsbehörden dabei in die eigene Tasche wirtschafteten, untersuchen mittlerweile die Staatsanwälte.

Fakt ist laut den Recherchen des Netzwerks, dass Länder wie Uruguay, Argentinien, Brasilien oder Costa Rica bei der Beschaffung der Beatmungsgeräte deutlich besser abschnitten als Peru, Guatemala, Paraguay, Mexiko oder Kolumbien. In Peru entsprachen etliche der teuren Produkte auch nicht den Anforderungen, wurden reklamiert und teilweise zurückgesendet. In anderen Fällen modifizierten Krankenhaustechniker die Gerätschaften, wie der Chef einer Intensivstation gegenüber IDL-Reporteros zugab. »Wir können uns nicht den Luxus leisten, 35 Geräte ungenutzt herumstehen zu lassen.«

Solche Vorgänge wurden indes nicht nur in Peru aufgedeckt. In Guatemala wurden ganze 89 Beatmungsgeräte für einen Durchschnittspreis von 30 000 US-Dollar geordert, obwohl der Bedarf deutlich höher sei, so die Journalistin Carolina Gamazo, die für das Portal No-Ficción recherchierte. Das investigative Medium, das ebenfalls zum Netzwerk »Centinela Covid-19« gehört, fand heraus, dass Gelder aus dem Notfallfonds der Regierung nur zögerlich abgerufen werden und dass viele Krankenhäuser aus Mangel an qualifiziertem Personal Beatmungsgeräte lieber anmieten als kaufen. Ein Indiz für strukturelle Defizite im Gesundheitssystem, die in Lateinamerika genauso weit verbreitet sind wie die Korruption.

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