Historischer Konjunktureinbruch in den USA

Zahl der Arbeitslosen stagniert beziehungsweise steigt leicht - ein Hinweis auf erneute wirtschaftliche Probleme

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

In den USA ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal infolge der Coronavirus-Pandemie in noch nie da gewesenem Ausmaß eingebrochen. Von April bis einschließlich Juni schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufs Jahr hochgerechnet um 32,9 Prozent, wie die US-Regierung am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Der Absturz ist deutlich tiefer als während der Finanzkrise 2008. Damals brach die US-Wirtschaft im zweiten Quartal um acht Prozent ein. Das zweite Quartal ist das schlechteste seit Beginn der vierteljährlichen Datenerfassung 1947.

Seit Mitte Juni war die Zahl der Corona-Neuinfizierungen in den USA erneut steil gestiegen. Das hatte die teilweise Rücknahme von Lockerungen von Corona-Einschränkungen in vielen Staaten nötig gemacht. Die Zahl der registrierten Corona-Toten ist in den USA am Donnerstag auf mehr als 150.000 gestiegen. Binnen 24 Stunden hatten die Behörden 68.000 Neu-Infektionen und 1267 Todesfälle gemeldet.

Die wenig erfolgreiche Eindämmung und der erneute Wiederanstieg der täglichen Neufallzahlen, der in den letzten Tagen ein »Tableau« erreichte und aktuell etwa um die Marke 60.000 liegt, hat vermutlich ein schnelles »Wiederanspringen« der Wirtschaft gedämpft, worauf Donald Trump und die Republikaner hoffen. Der US-Präsident spekulierte am Donnerstag auf Twitter bereits über eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl im November.

Ökonomen waren noch vor Wochen optimistisch gewesen, dass die Corona-Krise eine V-förmige Rezession sei. Auf einen steilen Abstieg würde nach erfolgreicher Eindämmung des Coronavirus ein schneller Wiederanstieg folgen. Nun sind viele Wirtschaftswissenschaftler weniger optimistisch und erwarten eine langsamere Erholung.

Darauf deuten auch die wöchentlichen Arbeitslosenzahlen hin. Die stagnieren beziehungsweise steigen wieder leicht. Wie am Donnerstag gemeldet wurde, haben sich in der vergangenen Woche 1,43 Millionen US-Amerikaner arbeitslos gemeldet. Das waren 12.000 mehr als in der Vorwoche - ein geringer Anstieg, jedoch schon die zweite Woche mit stagnierenden Zahlen. Zuvor war die Zahl der wöchentlichen Neu-Arbeitslosen seit ihrem Höhepunkt Anfang April kontinuierlich gesunken – Anfang April hatten sich 6,6 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet.

In den USA erhalten Beschäftigte nicht monatlich, sondern wöchentlich Arbeitslosengeld. Die Anzahl der »continued claims«, also die Zahl der US-Amerikaner, die mindestens zwei Wochen in Folge arbeitslos waren, erreichte letzte Woche 17 Millionen. Das waren rund 867.000 mehr als in der Vorwoche. Die Zahl der längerfristig Arbeitslosen durch die Corona-Krise hatte in der zweiten Maiwoche ihren Höhepunkt mit rund 24,9 Millionen erreicht.

Als Antwort auf die Corona-Krise hatte der US-Kongress Ende März ein wöchentliches Extra-Arbeitslosengeld in Höhe von 600 Dollar zu den teilweise eher geringen Arbeitslosengeldzahlungen der Bundesstaaten beschlossen. Doch das Programm läuft Ende Juli aus. In einigen Staaten ist es bereits in dieser Woche zu Ende gegangen, weil viele Verwaltungen Hilfen nur für ganze Wochen eines Monats auszahlen.

Mit dem Wegfallen der zusätzlichen Arbeitslosenhilfen wird für Millionen Arbeitslose je nach Bundesstaat teilweise bis zu 70 Prozent ihres Einkommens wegbrechen - Geld, das nicht mehr für den Konsum ausgegeben werden kann und bisher die Wirtschaft stützt. Die Demokraten und Republikaner verhandeln gerade um eine Verlängerung.

Demokraten und Republikaner streiten derzeit über ein umfangreiches Corona-Hilfspaket, das unter anderem wöchentliche Zuschläge zum Arbeitslosengeld vorsieht. Am Dienstag lehnten die Demokraten im Kongress einen Vorschlag der Republikaner ab. Dieser sah unter anderem vor, die Zuschläge für Arbeitslose von 600 auf 200 Dollar zu kürzen und einen Corona-Kündigungsschutz für Mieter aufzuheben, die wegen der Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind.

Bei den Republikanern gibt es Streit zwischen rechtslibertären Austeritätspolitikern, die am liebsten gar keine Hilfen gewähren wollen würden, und moderateren Republikanern. Auch zusätzliche Finanzmittel für Bundesstaaten und Gemeinden für medizinisches Personal und Lehrer fehlten bislang, kritisierten die Sprecherin des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, Nancy Pelosi, und der Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Senat, Chuck Schumer. Stattdessen seien Steuererleichterungen für »wohlhabende Konzerne« vorgesehen. Der Vorschlag der Republikaner beläuft sich auf rund eine Billion Dollar (etwa 850 Milliarden Euro), die Demokraten wollen rund das Dreifache aufwenden. mit Agenturen

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.