Stichtag ist der 31. Dezember 2020
Zwischenbilanz zum Baukindergeld
Bau- und kaufwillige Familien haben nur noch ein halbes Jahr Zeit, sich ihre Chance auf 12 000 Euro Baukindergeld pro Kind zu sichern. LBS-Verbandsdirektor Axel Guthmann: »Nur wer bis zum 31. Dezember dieses Jahres einen Kaufvertrag unterzeichnet oder eine Baugenehmigung erhalten hat, kann noch bis Ende 2023 einen Antrag auf Baukindergeld bei der Förderbank KfW stellen.« Weil die Corona-Auflagen die Umsetzung so mancher Eigentumspläne verzögert haben dürften, plädiert Guthmann dafür, diese Frist um mindestens sechs Monate zu verlängern.
Mit den vom Bund zur Verfügung gestellten rund 10 Milliarden Euro können bei 12 000 Euro pro Kind insgesamt knapp 500 000 Anträge für 830 000 Kinder bewilligt werden. Die KfW geht davon aus, dass die Mittel bei gleichleibendem Antragstempo »ausreichend sind«.
Familien mit geringem Einkommen gefördert
Das Baukindergeld kann zwar noch bis Ende 2023 beantragt werden - allerdings nur für Häuser und Wohnungen, für die bis Ende 2020 entweder eine Baugenehmigung vorlag oder ein Kaufvertrag unterzeichnet wurde. Ob es zu einer Neuauflage in der nächsten Legislaturperiode kommt oder die Fristen verlängert werden, falls die im Bundeshaushalt eingeplanten Mittel von 9,9 Milliarden Euro nicht ausgeschöpft werden, dürfte ganz entscheidend von der Erfolgsbilanz der Förderung abhängen. Doch bereits die jüngsten Förderstatistiken der bundeseigenen Förderbank KfW erlauben fundierte Analysen.
Verteilung der Anträge auf die Bundesländer
Gemäß den aktuellsten Daten aus einer Ende Juni veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP hatte die KfW bis zum 31. Mai dieses Jahres insgesamt knapp 233 000 Anträge zugesagt. Davon kam ein gutes Fünftel aus NRW, weitere jeweils 14 Prozent aus Bayern und Baden-Württemberg.
Interessanter ist jedoch die Frage, wo die neue Wohneigentumsförderung, die eben zugleich als Familienförderung konzipiert ist, von ihrer Zielgruppe besonders gut angenommen wird. An der Spitze liegen hier zwei ostdeutsche Bundesländer (siehe Grafik unten): In Brandenburg kamen auf 1000 Familien mit minderjährigen Kindern 39 Anträge, in Mecklenburg-Vorpommern 37 - und damit ein gutes bzw, knappes Drittel mehr als im Bundesdurchschnitt, der bis Ende Mai bei 29 Anträgen lag.
Weit unterdurchschnittlich in Anspruch genommen wird das Baukindergeld dagegen wie erwartet in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg.
Stadt und Land
Zu diesen großen Unterschieden tragen mehrere Faktoren bei: Das Baukindergeld wird in den ländlicheren Bundesländern wie eben Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz stärker nachgefragt als in den eher städtischen Ländern mit hoher Einwohnerdichte. Zu diesen zählen nicht nur die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, sondern auch Nordrhein-Westfalen mit dem Ruhrgebiet und Hessen mit dem Großraum Frankfurt.
Dahinter steckt, dass ländliche Räume per se eigentumsaffiner sind, also eine höhere Wohneigentumsbildung aufweisen. So werden in Rheinland-Pfalz 58 Prozent und in Niedersachsen 54 Prozent aller Wohnungen und Häuser von ihren Eigentümern bewohnt. In Hamburg und Berlin gilt dies nur für 24 bzw. 17 Prozent. Gerade für Familien, die mit Wohneigentum liebäugeln, geht es auch darum, Platz zu gewinnen - und das klappt nun einmal eher mit einem Häuschen im Grünen als mit einer Stadtwohnung.
Erschwinglichkeit von Wohneigentum
Wo das Baukindergeld mehr hilft und wo weniger, ist auch eine Frage des Immobilienpreisniveaus sowie des regionalen Einkommensniveaus. Nach Berechnungen des Immobilienforschungsinstituts empirica war es um die Relation von beidem im ersten Quartal 2020 in Niedersachsen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen besser bestellt als im Bundesdurchschnitt. Eine 60 bis 80 Quadratmeter große Wohnung etwa war dort mit knapp fünf durchschnittlichen Nettojahreseinkommen zu bezahlen.
In all diesen Bundesländern ist die Nachfrage nach Baukindergeld überdurchschnittlich hoch. Das Gegenteil ist in Hamburg und Berlin der Fall - dort sind mehr als neun Jahreseinkommen für eine vergleichbare Wohnung aufzubringen.
Aufholprozess Ost
Lässt man die Stadtstaaten Hamburg und Berlin außen vor, offenbart sich überdies ein deutliches Ost-West-Gefälle: In Ostdeutschland ohne Berlin wurden bisher pro 1000 Familien 34 Baukindergeldanträge gestellt, in Westdeutschland ohne Hamburg waren es nur 30. Ein Grund für diese Differenz ist, dass Wohneigentum in Ostdeutschland - abgesehen vom Berliner Umland und der Ostseeküste - vergleichsweise günstig ist.
Ein zweiter Grund ist der Nachholbedarf: Noch immer leben im Osten der Republik weniger Menschen in den eigenen vier Wänden als im Westen. Fakt ist aber auch, dass der Anteil der selbstnutzenden Wohneigentümer in den vergangenen Jahren zwischen Thüringer Wald und Ostseeküste kräftiger zugelegt hat als in Westdeutschland - und das Baukindergeld beflügelt diesen Aufholprozess nun.
Umzug in den Speckgürtel
Während der Zuschuss zum Eigenheim in Berlin kaum zu verfangen scheint, ist er in Brandenburg ein regelrechter Hit. Doch das Baukindergeld kommt auch Berlinern zugute: Die Faktoren (verfügbare) Fläche und Erschwinglichkeit führen dazu, dass immer mehr Hauptstädter im Umland sesshaft werden und somit als Neu-Brandenburger ihr Baukindergeld beantragen. Berlin hat schon in den vergangenen Jahren beständig Einwohner an die Kreise ringsum verloren, und auch zuletzt haben die Umlandkreise unterm Strich neue Einwohner gewonnen und sind teils sogar kräftiger gewachsen als die Hauptstadt selbst.
Während Berlin jedoch wie alle deutschen Metropolen seine Einwohnergewinne vor allem aus der überregionalen und der Auslandszuwanderung generiert, profitiert der Speckgürtel in Brandenburg von der Stadtflucht insbesondere der Familien mit deutscher Staatsangehörigkeit, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2019 gezeigt hatte. In einem ähnlichen Verhältnis wie Berlin zu Brandenburg steht Hamburg zu seinen schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Nachbarkreisen.
Verteilung auf Neubau und Bestand
Der zeitverzögerte Anstieg des Neubauanteils (siehe Grafik oben) beruht darauf, dass das Baukindergeld erst nach dem Einzug beantragt werden kann, zugleich aber die Baugenehmigung nicht vor 2018 erteilt sein darf. Noch zu bauende Häuser benötigen aber nun einmal eine Weile, bis sie bezugsfertig sind. Dass es mancherorts immer noch zu wenig ist, um die Nachfrage zu befriedigen, etwa in Berlin, dafür lassen sich einige Gründe finden - ein Versagen des Baukindergelds gehört nicht dazu.
Last but not least: Einkommensverteilung
Die neueste Auswertung der Antragsdaten nach Einkommenshöhe bestätigt die zuletzt von der KfW für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2019 kommunizierte Verteilung: Von allen bisher positiv beschiedenen Baukindergeldanträgen entfallen 62 Prozent auf Familien mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von weniger als 40 000 Euro. Dabei hat im Lauf 2019 eine Verschiebung zu den geringeren Einkommen stattgefunden. Auf Basis der ersten veröffentlichten Daten zur Einkommensverteilung ergab sich bis März 2019 ein Anteil der (zu versteuernden) Einkommen unter 20 000 Euro an den Anträgen von knapp 15 Prozent, Ende Mai 2020 waren es bereits 19,5 Prozent. LBS/nd
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