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- AKP und Istanbul-Konvention
Zerstörung der zivilen Opposition
Dass die AKP aus der Istanbul-Konvention austreten will, ist nicht nur antifeministisch, meint Sibel Schick.
Die AKP möchte aus der Istanbul-Konvention, einem internationalen Abkommen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt, austreten. Zwar wehren sich vor allem Feminist*innen dagegen, aber der Ursprung des Problems ist nicht nur der Antifeminismus. Die Herrschaft der AKP ist auf die Zerstörung der zivilen Opposition angewiesen, feministische Bewegungen können das Problem nicht alleine lösen.
In der Türkei macht es die 10-Prozent-Hürde vor allem linken Parteien in Parlamentswahlen schwierig. Anfangs führte die AKP einen moderaten Kurs, Dialog mit der kurdischen Freiheitsbewegung war Bestandteil des Images, das die Partei pflegen wollte: Konservativ, dennoch demokratisch. Die PR-Gespräche mit kurdischen Vertreter*innen führte Erdoğan mit der Überzeugung, dass diese niemals gefährlich für seine Herrschaft sein würden, weil die AKP ihre absolute Mehrheit in Ankara nicht verlieren könne. Er verließ sich auf die 10-Prozent-Hürde.
Mit 13,1 Prozent überwand die HDP 2015 die undemokratische Hürde. Erdoğans Öffentlichkeitsarbeit wurde plötzlich zur Opposition. Die AKP sprengte die Friedensverhandlungen und begann einen Krieg in kurdischen Städten, die überwiegend die HDP wählten. 198 Zivilist*innen wurden von türkischen Sicherheitskräften getötet, HDP-Politiker*innen wurden verhaftet, gewählte Lokalpolitiker*innen werden bis heute mit AKP-Ombudsmännern ersetzt.
Die HDP wird in Deutschland oft »prokurdisch« genannt, diese Bezeichnung ist aber eindimensional. Sie ist zwar rassismuskritisch, aber auch die erste politische Partei der Türkei, die es mit einem Programm, das auch feministisch, grün und pro-LGBTIQ+ ist, ins Parlament schaffte. Die Schwächung der HDP bedeutet die Schwächung feministischer Politik, wovon nicht nur Kurd*innen betroffen sind.
Die Folgen der antifeministischen Politik der AKP sind erschreckend: Die Zahl der Femizide, also Tötungsdelikte an Frauen, die als Folge geschlechtsspezifischer Gewalt zustande kommen, ist um knapp 400 Prozent gestiegen, seit die AKP an der Macht ist. 2019 wurden mindestens 474, alleine im Juli mindestens 36 Frauen getötet.
Dass die AKP den Sinn der Istanbul-Konvention infrage stellt, ist ein logischer Schritt jahrelanger antifeministischer Politik. Die Konvention stuft Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt als Verbrechen ein, verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, nachhaltige Schutz- und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Die AKP nennt häusliche Gewalt »familiäre Gewalt«, will sie in den privaten Bereich zurückdrängen und unsichtbar machen. Die Istanbul-Konvention ist der AKP ein Dorn im Auge.
Protest gegen einen möglichen Austritt gibt es nicht nur auf der Straße, sondern auch in den Reihen der AKP. Nach einer kritischen Stellungnahme der Organisation KADEM, in deren Geschäftsführung Sümeyye Erdoğan Bayraktar, die Tochter des Präsidenten, sitzt, äußerte sich auch die Ex-Familienministerin und heutige AKP-Abgeordnete Betül Sayan Kaya kritisch. Viele, die sonst gegen feministische Bestrebungen agieren, sehen sich bei häuslicher Gewalt offenbar mitgemeint.
In Bezug auf Polen, das ebenso aus dem Abkommen austreten möchte, sagte die EU-Politikerin Evelyn Regner der Süddeutschen Zeitung: »Wenn ein Mann Frauen nicht mehr schlagen darf, wird ihm Macht über ihren Körper entzogen.« Genauso wird der Mann mit Macht ausgestattet, sobald die Verpflichtung, häusliche Gewalt zu bekämpfen, aufgehoben wird. Am Ende ist der Austritt aus der Istanbul-Konvention also eine klare Botschaft an gewalttätige Männer.
Die Zerstörung von Frauenrechten steht aber nicht alleine im Raum, sondern geht mit Rassismus, Nationalismus und anderen menschenfeindlichen Ideologien einher, die tief in der türkischen Gesellschaft verankert sind. Die AKP will Bestrebungen für Gleichberechtigung aller Art zerstören. Daraus schöpft sie ihre Kraft. Wenn Menschen aber all ihrer Macht und Selbstbestimmung beraubt werden, dann werden sie unberechenbar. Deshalb muss ihnen wenigstens ein Bereich überlassen werden, in dem sie Macht ausüben können und zum Subjekt werden. Und in diesem Fall heißt das: Der Mann darf seinen Frust Zuhause an der Frau ablassen.
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